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„Die Er­de ist un­se­re Bi­bel“

Ber­ge, Was­ser­fäl­le, Son­ne, Mond und Stei­ne: Für Ni­dia Ar­ro­bo Ro­das ha­ben sie exis­­­ten­zi­el­le Be­deu­tung. Seit 30 Jah­ren setzt sich die Ecua­do­ria­ne­rin da­für ein, die Spi­ri­tua­li­tät der In­di­ge­nen wie­der zu be­le­ben.

Die Ecua­do­ria­ne­rin Ni­dia Ar­ro­yo setzt sich seit 30 Jah­ren für die Spi­ri­tua­li­tät der In­lie­gen­den ein. In ural­ten Ri­ten spürt sie die Kraft, die von der „Mut­ter Er­de“ aus­geht. Die 68-jäh­ri­ge Wirt­schafts­wis­sen­schaft­le­rin kri­ti­siert den „Res­sour­cen und Men­schen zer­stö­ren­den Ka­pi­ta­lis­mus“ und plä­d­iert da­für, dass Er­zie­hung auch das Ge­mein­wohl in den Blick nimmt.

Frau Ro­das, was zeich­net die in­dia­ni­sche Spi­ri­tua­li­tät in Ecua­dor aus?
Sie hat jahr­tau­sen­deal­te Wur­zeln und rührt von ei­ner en­gen Be­zie­hung zur Mut­ter Er­de, zur „Pacha­ma­ma“, her. Die In­di­ge­nen ver­ste­hen sich als Teil der Er­de. Ih­re Spi­ri­tua­li­tät ist ganz­heit­lich. Die Er­de ist ih­re Bi­bel. Sie ori­en­tie­ren sich auch an der hei­li­gen Schrift der Ma­ya aus dem mit­te­la­me­ri­ka­ni­schen Raum und an der Welt­sicht der Ku­na, die in Ko­lum­bi­en und Pa­na­ma le­ben. Er­schüt­ternd ist, dass die Er­obe­rung durch die Spa­ni­er fast al­les zer­stört hat.

In­wie­fern?
Es gab gro­ße Vor­be­hal­te ge­gen­über den tra­di­tio­nel­len Ri­ten. Man hielt sie für Got­tes­läs­te­rung und ver­such­te, sie aus­zu­lö­schen. Ras­sis­mus und Frem­den­hass ge­gen­über In­di­ge­nen wa­ren so groß, dass vie­le in­di­ge­ne Füh­rer ih­rer­seits die Kir­che ab­lehn­ten als Re­ak­ti­on auf die Ver­fol­gung.

Wie ist die Si­tua­ti­on ak­tu­ell?
Vie­le Men­schen in Ecua­dor, auch Nicht-In­di­ge­ne, ent­de­cken die Öko­spi­ri­tua­li­tät neu. Und da­mit vie­le hei­li­ge Or­te wie Ber­ge oder Was­ser­fäl­le, die in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten wa­ren. Zur Son­nen­wen­de vom 21. bis 23. Ju­ni be­ge­hen wir zum Bei­spiel die Fei­ern des „In­ti Ray­mi“. Mit dem Ri­tus wird die Son­ne ver­ehrt. Wir dan­ken ihr für die Kraft, die Sa­men auf­ge­hen und wach­sen lässt.

Was pas­siert beim „In­ti Ray­mi“?
Der Ri­tus be­ginnt nachts mit ei­nem Bad im Was­ser­fall. Ich hat­te Angst da­vor, im Dun­keln in das kal­te Was­ser zu stei­gen. Aber an­de­re ha­ben das mit mir ge­tan, und wir ha­ben viel En­er­gie ge­spürt, als wir uns vom Was­ser rei­ni­gen lie­ßen. Es kam ganz leicht von den Lip­pen: Dan­ke, Mut­ter Er­de, für die Kraft, die du schenkst. An­sch­lie­ßend tanz­ten wir durch die Nacht. In den Ta­gen dar­auf bis zum En­de des Mo­nats zie­hen die In­di­ge­nen von Haus zu Haus. Weil Ern­te­zeit ist, gibt es übe­rall ge­nug zu es­sen. Die Men­schen tei­len das, was Mut­ter Er­de ih­nen schenkt. Sie spü­ren: Die Er­de gibt und sie gibt für al­le.

Das klingt teil­wei­se be­f­remd­lich. Wie kam es zum Auf­le­ben der al­ten Ri­tua­le?
Bi­schof Leoni­das Pro­año (ei­ner der be­deu­tends­ten Ver­t­re­ter der Be­f­rei­ungs­theo­lo­gie in Ecua­dor, Anm. d. Red.) hat sich seit 1954 für die In­di­ge­nen ein­ge­setzt. Er ver­stand, dass sie ei­ne tie­fe Öko­spi­ri­tua­li­tät ha­ben und dass al­les mit­ein­an­der ver­bun­den ist: Po­li­tik und Spi­ri­tua­li­tät, Wirt­schaft und Geo­lo­gie, und dass auch al­le wis­sen­schaf­li­chen Be­rei­che von Spi­ri­tua­li­tät durch­drun­gen sind. Pro­año nann­te sie das Blut, das in den Adern der Men­schen fließt. Sein pa­s­to­ra­les Ver­ständ­nis be­ruh­te dar­auf, Glau­ben und Po­li­tik als Ein­heit zu se­hen. Mit ei­nem Fuß im Evan­ge­li­um und mit dem an­de­ren in so­zia­len Or­ga­ni­sa­tio­nen.

Mit wel­chen Kon­se­qu­en­zen?
Er gab zu­nächst 36000 Hektar Land aus dem Kir­chen­be­sitz an die In­di­ge­nen zu­rück, de­nen es ur­sprüng­lich ge­hört hat­te. Die­ser Akt hat ei­ne rie­si­ge Be­f­rei­ungs­wel­le aus­ge­löst. Die In­di­ge­nen ha­ben dar­auf­hin ei­ne an­de­re Hal­tung ge­gen­über der Kir­che ein­ge­nom­men, weil sie spür­ten, dass durch Pro­año ein an­de­res Kir­che-Sein ein­ge­lei­tet wur­de.

Was hat der Bi­schof noch ge­tan?
Pro­año grün­de­te am Fu­ße des hei­li­gen Bergs Im­ba­bu­ra ein Aus­bil­dungs­zen­trum. Die Ka­pel­le dort hat ein rie­si­ges Fens­ter, das den Blick auf den 4610 Me­ter ho­hen Vul­kan frei­gibt. Der Im­ba­bu­ra prägt da­durch die Fei­ern in der Ka­pel­le, er lei­tet sie. Man­che frag­ten kri­tisch, ob die In­di­ge­nen Gott nicht mit dem Berg ver­wech­seln wür­den. Pro­año frag­te zu­rück: „Wel­chen Un­ter­schied gibt es zwi­schen Gott und dem Berg?“

Wel­che Be­deu­tung hat Pro­año für Sie per­sön­lich?
Er hat mein gan­zes Le­ben ge­prägt. Als ich ihn 1968 ken­nen­lern­te, ha­be ich ihn als Leucht­turm emp­fun­den, der mich an­zog. Ich be­gann, mich den In­di­ge­nen im Sü­den Ecua­dors an­zu­näh­ern und mit ih­nen zu ar­bei­ten. We­ni­ge Ta­ge vor sei­nem Tod 1988 bat Pro­año fünf sei­ner Mit­ar­bei­ter – dar­un­ter mich – zu sich. Er be­auf­trag­te uns, ei­ne Stif­tung zu grün­den. Für uns war es, als ob wir ei­ne hei­ße Kar­tof­fel in die Hand ge­drückt be­kä­m­en. Wir frag­ten uns, wie wir die Ar­beit ei­nes so gro­ßen Man­nes fort­set­zen könn­ten?

Und heu­te?
Kommt es mir im­mer noch vor, als sei ich mit der hei­ßen Kar­tof­fel in der Hand un­ter­wegs (lacht). 27 Jah­re war ich Di­rek­to­rin der In­dia­ner­s­tif­tung, seit drei Jah­ren ar­bei­te ich eh­renamt­lich mit. Wir un­ter­stüt­zen die in­di­ge­nen Völ­ker da­bei, zu ih­rem Recht zu kom­men, et­wa Land wie­der­zu­er­lan­gen, das ih­nen recht­mä­ß­ig ge­hört. Wir ver­ge­ben Sti­pen­di­en, för­dern Frau­en und Se­nio­ren – al­les mit Hil­fe un­se­rer Freun­de. Wir er­hal­ten kei­ne fi­nan­zi­el­len Mit­tel von Or­ga­ni­sa­tio­nen. Vor al­lem aber sor­gen wir da­für, dass das Er­be Pro­años nicht in Ver­ges­sen­heit ge­rät. Es gibt nicht we­ni­ge in Kir­che und Ge­sell­schaft, die die Er­in­ne­rung an ihn am liebs­ten aus­lö­schen möch­ten.

Was lei­tet Sie?
Das in­di­ge­ne Kon­zept „Su­mak kaw­say“, das für ein Le­ben in Fül­le für al­le und al­les steht und auch in der Ver­fas­sung Ecua­dors ver­an­kert ist. Es ver­langt ei­ne Ver­schie­bung vom An­thro­po­zen­tris­mus, der den Men­schen in den Mit­tel­punkt stellt, zum Kos­mo­zen­tris­mus, der das gan­ze Uni­ver­sum im Blick hat.

Wie kann das ge­lin­gen?
In­dem sich die in­du­s­tria­li­sier­ten Län­der mehr an­de­ren Kul­tu­ren und de­ren Weis­hei­ten öff­nen. Der Ka­pi­ta­lis­mus ist er­sc­höpft. Er raubt der Er­de Res­sour­cen und ver­braucht die Men­schen. Wir müs­sen neue We­ge fin­den. Da­zu müs­sen wir auch das Herz der Men­schen ve­r­än­dern, die Struk­tu­ren und das Er­zie­hungs­sys­tem. Es geht oft nur um das Wohl des Ein­zel­nen. An den an­de­ren und sei­ne Be­dürnf­nis­se zu den­ken: Das kommt meist gar nicht vor. Des­halb ist die in­di­ge­ne Spi­ri­tua­li­tät wich­tig, weil sie die ge­schwis­ter­li­chen Be­zie­hun­gen un­ter den Men­schen stärkt. Nö­t­ig ist auch ei­ne De­mo­k­ra­ti­sie­rung al­ler Ebe­nen des Le­bens.

Was gibt Ih­nen Hoff­nung?
Dass mitt­ler­wei­le ei­ne Frau aus dem Volk der Kich­wa, Em­pe­ra­triz Su­rina­ma Mon­tal­vo Chu­ma, die Stif­tung lei­tet.

In­ter­view: Eva-Ma­ria Wer­ner
Fo­to: Gu­drun Pe­ter­sen


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