Katharina Wutte und Robert Deimann sind sich beim Eine-Welt-Camp begegnet. Foto: privat |
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Freiwilligendienst
„Mission hat mich erst mal abgeschreckt!“
Katharina Wutte, 20, aus Brunnthal bei München ist bereits zurück. Robert Deimann, 19, aus der Nordeifel hat die große Reise noch vor sich. Ihr Ziel: El Paso, im Westen von Texas an der Grenze zu Mexiko. Ihre Aufgabe: Als Missionar auf Zeit (MaZ) ein Jahr lang mit Flüchtlingen, Obdachlosen und illegalen Einwanderern zusammenzuarbeiten. Im Interview erzählen sie von ihren Erwartungen, Erfahrungen und Ängsten.
Warum haben Sie sich für den Freiwilligendienst MaZ entschieden?
Deimann: Wenn ich ehrlich bin, hat mich „Missionar auf Zeit“ (MaZ) erst mal abgeschreckt. Ich will niemanden missionieren. Der klassische Begriff von Missionar ist ja, Menschen vom eigenen Glauben zu überzeugen und bekehren. Das wollte ich auf gar keinen Fall. Aber ein Freund erzählte mir, dass es nicht darum geht.
Wutte: Ich wollte nach dem Abitur etwas Soziales machen. Ich denke, der Luxus, den wir in Deutschland haben, ist nicht selbstverständlich. Mein Wunsch war es, anderen Menschen zu helfen, die nicht das Glück hatten, in so einem behüteten Land wie Deutschland geboren worden zu sein. Und ich wollte auch meinen Horizont erweitern, weil Deutschland sehr abgeschirmt ist, wie ich finde. Wir leben in einer Art Seifenblase.
War das Projekt in El Paso Ihre erste Wahl?
Deimann: Ich wollte ursprünglich in ein Entwicklungsland, nach Südamerika oder vielleicht nach Afrika. Aber dann bin ich am Ende doch in den USA gelandet.
Wutte: In ein Industrieland wollte ich nicht, sondern wie Robert auch nach Lateinamerika. Aber ich habe es ausprobiert und bin wirklich positiv überrascht worden.
Wie sieht das Projekt in El Paso aus?
Deimann: Es ist eine Wohngemeinschaft von Obdachlosen und Flüchtlingen aus Mexiko, auch vielen illegalen Einwanderern, die sonst auf der Straße landen würden. Ab dem 1. August 2013 werde ich ein Jahr da sein. Ich könnte auch verlängern, wenn ich wollte.
Wutte: Ich habe meinen MaZler-Dienst 2011/2012 dort gemacht. Wie Robert schon sagte, ist es eine Wohngemeinschaft für lateinamerikanische Flüchtlinge. Dort leben auch die MaZler. Es gibt zwei Häuser: Das eine heißt, wie die Organisation auch, annunciation house und das andere casa vides, in der vor allem Frauen und Kinder leben. Wir, die Freiwilligen, sind Seelsorger und Berater. Wir hören zu, spielen mit den Kindern, wir sind da, wenn die Hausgäste irgendetwas brauchen.
Warum haben Sie sich für einen kirchlichen Dienst entschieden?
Wutte: Ich war viel zu spät dran, mich bei Freiwilligendiensten zu bewerben. Die Bewerbungsfristen waren schon alle abgelaufen, und die Pallottiner hatten noch offene Stellen. Im Bewerbungsgespräch habe ich gemerkt, dass es bei ihnen locker zugeht und nicht so streng katholisch und konservativ, sondern dass sie offen für Neues sind. Das finde ich toll. Ich bin, was die katholische Kirche angeht, eher kritisch. Aber der MaZ-Dienst hat mein Bild von der katholischen Kirche verändert.
Welche Erwartungen haben oder hatten Sie an das Jahr als Missionar auf Zeit?
Deimann: Ich hoffe, dass ich dadurch ein Stück reifer werde. Dass ich einen offeneren Blick bekomme für die Welt und die Probleme, die es nicht nur in Afrika gibt, sondern auch in Industriestaaten wie den USA.
Wutte: Ich habe versucht, so wenig Erwartungen wie möglich zu haben, dachte mir, ich schaue mir das mal an. Ich habe sehr viel über mich selbst gelernt, über die Welt, was es für Probleme gibt. Das hat mir die Augen geöffnet. Ich bin in dem Jahr erwachsen geworden. Meine Mama hat das eigentlich ganz nett formuliert: Sie hat gesagt, ich sei als junges Mädchen gegangen und als junge Frau wiedergekommen.
Gab es Erfahrungen, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben sind?
Wutte: Einmal musste ich mit einer Freiwilligen in die Partnerstadt Juarez mit dem Auto nach Mexiko. Die Einreise war kein Problem, aber bei der Ausreise wollte ein US-amerikanischer Officer mich nicht einreisen lassen, nachdem ich ihm meinen Reisepass gab. Wir mussten aussteigen und ich musste dem Officer in ein Gebäude hinein folgen, wo ich mit Handschellen an einen Stuhl gefesselt wurde. Als ich dort hineinging, hatte ich das Gefühl, mir kann nichts passieren, denn ich hatte ein Visum. Aber als ich auf dem Stuhl saß und verhört wurde, wurde mir angst und bange. Ich wurde behandelt wie ein Schwerverbrecher. Im Nachhinein bin ich froh, dass mir das passiert ist, weil ich mich so mit den Hausgästen identifizieren konnte. Denn ihnen passiert jeden Tag genau das Gleiche. Sie werden auch behandelt wie Schwerverbrecher, obwohl sie eigentlich total traumatisiert sind und Hilfe suchen.
Welche Rolle hat der Glaube gespielt?
Wutte: Die Mexikaner sind sehr gläubig. Sie gingen jeden Sonntag in die Kirche. Irgendwann bin ich mitgegangen und es war super. Es hat mir so viel Spaß gemacht, weil der Gottesdienst dort so anders zelebriert wird. Sie haben gelacht, gesungen und sich umarmt. Abgesehen von den Gottesdiensten hatten wir jeden Morgen um 8 Uhr ein Treffen mit den Freiwilligen, um Texte zu lesen und Lieder zu singen. Das war wie ein kleiner Gottesdienst und hatte einen wichtigen Stellenwert. Ich habe mich nie eingeengt gefühlt vom katholischen Glauben oder von der Art, wie sie die Messe zelebrierten. Sie haben mir die Hand gereicht und wenn ich wollte, habe ich sie genommen.
Was verstehen Sie heute unter „Mission“?
Deimann: Ich glaube, mit missionieren ist in erster Linie Selbstmissionierung gemeint. Man geht in die Fremde, um zu lernen.
Wutte: Während meines MaZ-Dienstes hatte ich nie das Bedürfnis oder die Intention, andere Leute von meinem Glauben zu überzeugen. Ich habe es eher so verstanden, dass es darum geht, seinen Glauben gemeinsam zu leben.
Das Interview führte Susanne Kruza.
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