Foto: Hartmut Schwarzbach |
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Interview mit Leo Boccardi, Apostolischer Nuntius im Iran
„Wir müssen sehr vorsichtig sein“
Exzellenz, Sie sind seit Ende 2013 Apostolischer Nuntius im Iran. Wie haben Sie das Land bisher erlebt?
Der Iran hat eine große Geschichte und eine große Zukunft. Er spielt eine wichtige Rolle im Mittleren Osten – für den Syrienkonflikt, für den Irak. Er ist das einzige Land in der Region, das eine starke Führungsrolle übernehmen kann. Ich denke, es ist an der Zeit, dass der Iran seinen Platz in der internationalen Gemeinschaft einnimmt. Wir können ihn nicht länger isolieren.
Müsste der Westen seine Haltung ändern?
Meine persönliche Überzeugung ist: Wenn wir dem Iran nicht helfen, seine wirtschaftliche Krise zu überwinden, dann werden die politische und die soziale Krise andauern. Das stärkt die Mullahs. Der Iran zahlt einen politischen Preis dafür, dass er unabhängig von den USA, von Israel, Saudi-Arabien ist. Er sendet positive Signale aus, aber wartet darauf, dass die westlichen Politker ihre Haltung ändern.
Können Christen ihren Glauben frei leben?
Es gibt Einschränkungen, aber Christen werden nicht verfolgt. Sie sind zum Beispiel relativ frei, den Gottesdienst zu besuchen. Möglicherweise üben Präsident Rohani und andere Druck auf die Christen aus, um die muslimischen Führer zufriedenzustellen. Bei meinem Antrittsbesuch hat er mir gesagt: „Die Tür des Dialogs muss immer offen bleiben. Es ist an der Zeit, dass Christen und Muslime gemeinsam gegen Armut kämpfen.“ Wir als Kirche sollten eine positive Haltung gegenüber der Regierung zeigen. Und wir müssen Antworten darauf finden, wie wir mit Menschen umgehen, die zum christlichen Glauben übertreten wollen.
Gibt es Muslime, die konvertieren wollen?
Ein großes Problem sind gemischt-konfessionelle Paare, zum Beispiel Filipinas und Muslime (die sich kennengelernt haben, als die Männer in Manila studierten, und dann gemeinsam in den Iran zurückgekehrt sind, Anm. der Red.). Offiziell sind die Kinder eines muslimischen Vaters Muslime. Aber ihre katholischen Mütter möchten sie christlich erziehen. Ich bin sehr froh, dass der Heilige Vater uns ermutigt, keine dogmatischen, sondern praktische Lösungen zu finden.
Soll die Kirche vorsichtig oder vielmehr bekennende Kirche sein?
Das ist eine Frage, die ich oft stelle: Dürfen wir die Menschen und deren Familien gefährden? Bischof Bedini erhält mitunter Drohungen vom Geheimdienst: „Wenn du unsere Muslime aufnimmst, weisen wir dich aus!“ Die lateinische Kirche besitzt keinen Rechtsstatus, wir dürfen keinen Grund und Boden erwerben. Wir müssen sehr vorsichtig sein!
Das Interview führte Beatrix Gramlich.
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