Erzbischof Bert van Megen. Foto: Bistum Roermond |
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Interview mit Erzbischof Bert van Megen
„Ein Signal der Hoffnung“
Im März hat Papst Franziskus ihn zum Nuntius im Sudan und in Eritrea ernannt. Wenige Wochen vor Antritt seines neuen Amtes als Vertreter des Heiligen Stuhls mit Sitz in Khartum stellte sich der niederländische Erzbischof Bert van Megen, 52, den Fragen von kontinente.
Herzlichen Glückwunsch! Der Papst hat Sie zum Nuntius ernannt und Kardinal Parolin hat Sie zum Bischof geweiht. Wie haben Sie die Weihe in Ihrem Heimatbistum Roermond in den Niederlanden erlebt?
Es war beeindruckend, und es gab viel mehr Interesse, als ich gedacht hatte. Besonders war die Anwesenheit von Kardinalstaatsekretär Pietro Parolin. Soweit ich weiß, war es das erste Mal, dass ein Staatssekretär in die Niederlande gekommen ist. Mir hat es gefallen, dass die Liturgie in Latein gehalten wurde. Das musste geschehen, weil der Kardinal kein Niederländisch spricht, aber man spürt im Lateinischen die Jahrhunderte mitklingen. Ich habe die Bischofsweihe bewusster erlebt als meine Priesterweihe. Man ist schließlich älter und vermag die Konsequenzen besser einzuschätzen.
Bei der Feier haben Sie davon geschwärmt, wie herzlich Sie in Malawi, Ihrem letzten Einsatzort als vatikanischer Diplomat, aufgenommen wurden. War das gleichzeitig ein Plädoyer an Europa, herzlicher mit Afrika umzugehen?
Wie hat Jesus gesagt?: „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ Und in den Niederlanden sagen wir: „Wer gut hört, hat nur ein halbes Wort nötig.“ Ich denke, dass vor allem der niederländische Minister für Entwicklungszusammenarbeit, der in der Kirche saß, den leisen Wink gut verstanden hat.
Wann werden Sie Ihr neues Amt in der sudanesischen Hauptstadt Khartum antreten?
Das ist noch nicht ganz sicher, aber wahrscheinlich Ende Juli. Ich warte noch auf mein Visum. Vorher werde ich in Rom verschiedene Gespräche führen – etwa mit Kardinal Fernando Filoni, dem Präfekten der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, und mit den Generalsekretären der Päpstlichen Missionswerke. Die Nuntiaturen in Entwicklungsländern stehen in enger Verbindung mit der früheren Propaganda Fide. Vor allem aber schaue ich gespannt auf meine Begegnung mit Papst Franziskus.
Kardinal Parolin hat Ihnen den Wunsch des Papstes überbracht, dass Sie im Sudan zu Frieden und Versöhnung beitragen. Welche Möglichkeiten haben Sie als Nuntius, dies zu tun?
Der große Vorteil eines Nuntius ist es, dass er keine ökonomischen oder militärischen Interessen verfolgt. Das macht es leichter, diese Rolle einzunehmen. Aber andererseits – und das ist das Schwierige – musst du als Nuntius immer genau bedenken, welche Konsequenzen deine Worte für die lokale Kirche haben könnten. Als Nuntius genießt du Schutz durch deinen diplomatischen Status, aber die Ortskirche hat diesen Schutz nicht. Manchmal kannst du als Nuntius Dinge sagen, die ein lokaler Bischof nicht sagen kann. Da ist oft mehr möglich, als man denkt. Für jede Diplomatie, besonders für die kirchliche Diplomatie aber gilt, dass sie eine stille Diplomatie sein sollte. Du musst sowohl die lokale Kirche wie deine Gesprächspartner schützen. Besonders für die kirchliche Diplomatie gilt: Sie ist eine stille Diplomatie. Wir hängen die Dinge nicht an die große Glocke. Wir wollen nicht nur die Ortskirche, wir wollen auch unsere Gesprächspartner und Informanten schützen.
Im Sudan und in Eritrea leben Christen in einer schwierigen Situation. Können Sie ihnen als Nuntius beistehen?
Die Ortskirche ist in diesen Fällen der richtige Ansprechpartner. Sie weiß am besten, wo die wahren Probleme liegen. Weil es aber oft um diskriminierende Gesetze und Regeln für die nicht-muslimische Bevölkerung geht, ist der Nuntius die zuständige Person, um darüber mit den Regierungsstellen ins Gespräch zu kommen. Es ist sehr wichtig, als Vertreter des Heiligen Stuhls nicht jedem Bericht und jeder Aussage blind zu vertrauen. Schließlich macht sich jeder sein eigenes Bild von einem Ereignis, also musst du in Erfahrung bringen, was wirklich geschehen ist. Dazu ist es nötig, auf die Menschen zuzugehen und die Situation selbst genau zu erkunden – also selbst sehen, hören und spüren.
Gilt der Sudan als besonders große Herausforderung für einen Nuntius?
Der Sudan ist sicherlich keine leichte Aufgabe. Aber ich war bereits in den 90er-Jahren vier Jahre Mitarbeiter der Nuntiatur in Khartum. Dadurch habe ich schon ein Gespür dafür entwickelt, was es bedeutet, in einem islamischen Land zu leben, mit muslimischen Sitten und Empfindlichkeiten umzugehen. Ich weiß etwa, dass ich immer erst eine Erlaubnis einholen muss, wenn ich die Stadt verlassen will, um andere Regionen des Landes zu besuchen. Ich darf also nie der Illusion unterliegen, dass die Regierung nicht weiß, wo ich mich gerade aufhalte.
Sie haben bisher auf vier Kontinenten gearbeitet. Können Sie bitte die jungen Kirchen in Afrika, Asien und Südamerika mit unserer Kirche im Westen vergleichen?
In einem Land wie Malawi, aber auch im Sudan und in Brasilien, findet sich eine Kirche mit viel Schwung, Leben und Wachstumspotential. Vor allem in Afrika wächst die Kirche. Oft ist die Kirche hier sogar die einzige Institution eines Landes, der man vertrauen kann: Eine Bake der Hoffnung in einem See von Unwägbarkeiten. Wenn ich in die Niederlande komme, kann ich die Kinder in einer Messe an einer Hand abzählen. Die Kirche ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Wir leben in einer Gesellschaft, die müde und sehr stark auf sich selbst konzentriert ist. Das ist eine Form des Zusammenlebens, die nicht mehr so offen ist für künftige Generationen. Die afrikanische Kultur hingegen ist immer auf künftiges Leben hin ausgerichtet. Auf der Straße in Malawi siehst du viele Kinder. Das vermittelt ein Gefühl von Freude und Licht, ganz anders, als wenn du hier auf die Straße gehst. Hier sehe ich mehr Rollatoren als Kinderwagen. Wir können von den afrikanischen Kirchen lernen, dass du mehr geben kannst als du denkst. Du musst nur immer wieder über deine Grenzen hinausgehen, wie es auch die früheren Generationen bei uns getan haben. Stattdessen leben wir heute in einer Gesellschaft, die lieber Grenzen schließt.
Diplomat des Heiligen Stuhls zu sein, in verschiedenen Ländern zu leben, klingt nach Abenteuer, aber auch nach viel Einsamkeit. Trifft beides zu?
Damit umzugehen, muss man als Diplomat erlernen. Du musst ganz schnell damit beginnen, am Einsatzort soziale Kontakte aufzubauen, um nicht in die Grube der Einsamkeit zu fallen. Wer diese Fähigkeit nicht entwickelt, wird es schwer haben. Gerade durch den Wechsel der Einsatzorte lernen Diplomaten sehr gut, Dinge hinter sich zu lassen und Neues zu beginnen.
Können Sie als Nuntius gleichzeitig noch Seelsorger oder Missionar sein?
Die Frage stellt sich mir jetzt auch: Bisher konnte ich in jedem Land auch pastoral tätig sein – entweder in einer Gemeinde oder bei Gemeinschaften wie den Schwestern von Mutter Teresa oder als Lehrkörper in einem Priesterseminar oder als Religionslehrer. Wenn das nicht mehr möglich ist, besteht die Gefahr, die priesterliche Identität zu verlieren. Es gibt Leute, die meinen, dass ich dies als Erzbischof nicht mehr tun könnte. Aber warum eigentlich nicht?
Als Nuntius sind Sie auch der Mittelsmann zwischen Rom und der lokalen Kirche. Ist der Nuntius deshalb besonders beliebt oder besonders unbeliebt in der Ortskirche?
Manchmal tragen sie den Nuntius auf Händen, manchmal sind sie froh, wenn sie die Tür hinter dir schließen können: Es hängt davon ab, was zu entscheiden ist. Es gibt sicherlich Situationen, in denen unangenehme Entscheidungen getroffen werden müssen. Das habe ich bisher sehr selten erlebt, aber ich bin mir im klaren, dass solche Entscheidungen auf mich zukommen werden. Es gehört zweifellos zur Aufgabe eines Nuntius. Es ist vergleichbar mit einer Vaterrolle: Der Vater liebt seine Kinder, muss sie aber gelegentlich auch auf den richtigen Weg zurückführen.
Ihr Wahlspruch als Bischof lautet: In lumine tuo (In deinem Licht). Verbirgt sich dahinter ein pastorales Programm oder eine kirchliche Grundhaltung?
Wir leben im Westen in einer Welt, in der Gott keinen Platz mehr hat. Es mag meine Wahrnehmung sein: Wenn ich Menschen sehe, die keinen Glauben haben, wirkt dies auf mich wie eine Welt mit wenig Licht. Es ist eine graue und flache Welt ohne Sinngebung. Menschen dringen nicht mehr in die Welt dahinter, in die Welt Gottes, vor. Mein Wahlspruch aber sagt: Wenn du mit Glauben lebst, wenn du mit dem Licht Gottes lebst, dann wirst du die Welt auf eine andere Art sehen und verstehen. Das Leben erhält Mehrwert: In deinem Licht sehen wir Licht und Farbe. Vielleicht ist es überheblich, aber ich glaube: Durch das Licht des Glaubens lebst du in einer anderen Welt, in der du mehr siehst als andere.
Das Interview führte Franz Jussen.
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