Bernd Knüfer: Der Jesuit gibt Kurse in Yoga und Zen-Meditation. Foto: Harms |
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Interview mit Bernd Knüfer SJ
„Kirchisch“ wird nicht mehr verstanden
Warum bieten Sie Yoga- und Zen-Kurse an? Gibt es in der christlichen Tradition keine vergleichbaren Meditationspraktiken?
Bernd Knüfer: Bei der christlichen Meditation wird immer zuerst vom Bekenntnis ausgegangen. Das können viele, die zu uns kommen, so nicht mitgehen. Die östlichen Praktiken werden dagegen eher als absichtslos empfunden.
Warum ist die Kontaktstelle „Orientierung“ in einer Stadt wie Leipzig wichtig?
Weil viele Menschen in der säkularen Stadt keinen religiösen Sinn mehr haben und sie auch nichts vermissen. Ich glaube aber, dass in jedem Menschen ein solcher Sinn angelegt ist, ähnlich wie bei der Musikalität. Die Fähigkeit ist angelegt, braucht aber einen Anstoß, um sich entwickeln zu können. Es gibt auch viele, die suchend unterwegs sind. Und wer auf der Suche ist, ist irgendwie unterwegs zu Gott. Wir möchten diese Menschen begleiten.
Wie kommen Sie in Kontakt mit Religions- und Konfessionslosen?
Die Menschen kommen suchend und neugierig zu uns. Entweder direkt in die „Orientierung“ oder über Kurse, die wir zum Beispiel über die Volkshochschule anbieten. Wenn sie merken, dass wir ihnen mit Offenheit und großem Respekt begegnen, nicht dogmatisch und moralisch sind, dann kommen wir miteinander ins Gespräch.
Worüber?
Über die Grundfragen des Lebens: über Liebe, Tod, Freundschaft, Krankheit, Trauer, Freude, über Einsamkeit und die Herausforderung, die richtigen Entscheidungen im Leben zu treffen.
Sprechen Sie auch über Gott?
Erst muss man das Leben miteinander teilen, bevor man über den Glauben sprechen kann. Wir versuchen, einen Raum zu öffnen, in dem wir gemeinsam spirituelle Erfahrungen machen können. Die Menschen im Osten haben kein Interesse daran, dass jemand kommt und ihnen sagt, was sie zu tun und zu glauben haben. Die Erfahrung haben sie jahrelang in der DDR machen müssen. Gruppen oder Bewegungen wie Hare Krishna, die nach der Wende in Ostdeutschland einfielen, scheiterten aus diesem Grund. Die Menschen möchten eigene Entscheidungen treffen. Das ist auch die Voraussetzung dafür, sich religiös verorten zu können.
Was machen Sie anders?
Wir orientieren uns an der Arbeit der Weißen Väter mit Muslimen oder der sensiblen Art, mit der etwa der italienische Jesuit Matteo Ricci im 16. Jahrhundert in China auf die Menschen zuging. Nicht vereinnahmend, sondern mit großem Respekt vor ihnen und ihren Überzeugungen. Diese Missionare sind Lernende. Ich kann auch zugeben, dass ich selbst ein großer Zweifler bin, immer schon gewesen bin. Mal ehrlich: So fromm und christlich, wie wir häufig tun, sind wir doch gar nicht. Wenn wir das endlich zugeben können, dass wir immer auch Suchende sind, schmilzt das Trennende zwischen Christen und Nicht-Christen.
Was könnten Kirche und Pfarrgemeinden von Ihren Erfahrungen in einer säkularen Stadt lernen?
Es fängt schon bei der Sprache an. Himmel, Erlösung, Dreifaltigkeit, Gnade, Jenseits: Wer kann mit diesen Begriffen noch etwas anfangen? „Kirchisch“ wird vielerorts einfach nicht mehr verstanden. Mich ärgert die Sorglosigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der wir viele Begriffe gedankenlos verwenden. Es wäre gut, viel mehr zu hinterfragen.
Das Interview führte Eva-Maria Werner.
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