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Mechthild Groß als Hebamme @ Friedrich Stark

Je­de Ge­burt ist gött­li­ches Wir­ken

Mech­t­hild Groß gilt als Pi­o­­nie­rin in ih­­rer Wis­­sen­­schaft: Deu­t­­sch­­lands er­s­­te ha­­bi­­li­­tier­­te Hebam­­me
be­­gann vor 30 Jah­­ren ih­­re Kar­rie­­re an der Uni­ver­­­si­täts­frau­en­k­­li­­nik Tü­­bin­­gen. Heu­te setzt sich für
ei­ne ver­bes­ser­te Hebam­­men­aus­­bil­­dung ein - auch in Afri­ka.

Sind Ge­bur­ten für Sie über­haupt noch emo­tio­na­le Er­eig­nis­se?

Ja! Ein­mal pro Wo­che bin ich im Kreiß­saal. Ich ha­be das Pri­vi­leg, mich aus der Rou­ti­ne­ver­sor­gung her­aus­neh­men zu dür­fen, bin aber re­gel­mä­ß­ig in der Pra­xis. Ge­nau da­durch kann ich es mir auch leis­ten, et­was emo­tio­na­ler zu sein und ver­schie­de­ne Si­tua­tio­nen nach­zu­emp­fin­den. Fast je­der hat min­des­tens ein­mal im Le­ben mit ei­ner Hebam­me Kon­takt – auch wenn er sich da­ran nicht er­in­nern kann. Von ei­ner Hebam­me wird man zum ers­ten Mal im Le­ben be­rührt. Erst die zwei­ten Hän­de sind die der Mut­ter. Män­ner und Frau­en er­in­nern sich an ei­ne Ge­burt ein Le­ben lang. Ge­bo­ren wer­den ist in mei­nen Au­gen das emo­tio­nals­te Er­eig­nis, das pas­sie­ren kann. Manch­mal kön­nen nicht al­le Men­schen die­se Emo­ti­on zu­las­sen. Für mich ist die Ge­burt et­was Spi­ri­tu­el­les.

Warum sind Sie Hebam­me ge­wor­den?

Ich wuss­te lan­ge nicht, was ich wer­den woll­te. Mich hat das Ge­sun­de im­mer sehr in­ter­es­siert – nicht so sehr das Kran­ke. Au­ßer­dem war mir das So­zia­le im­mer wich­tig. In der Aus­bil­dung zur Kran­ken­schwes­ter mach­te ich ein Prak­ti­kum, das zu­fäl­lig in dem Kreiß­saal statt­fand, in dem ich selbst ge­bo­ren wur­de. Dort ha­be ich er­lebt, dass Frau­en ihr Le­ben in der Art er­zäh­len, wie sie ein Kind zur Welt brin­gen. Das fand ich su­per. Da woll­te ich un­be­dingt Hebam­me wer­den.

„Da ist Eu­ro­pa ein Ent­wick­lungs­lan­d“

Wie war die ers­te Ge­burt?

Die ers­te Ge­burt ha­be ich 1983 in Afri­ka er­lebt. Zu mei­ner Fa­mi­lie ge­hört die Or­dens­frau The­re­se Vo­gel, die mehr als 60 Jah­re als Hebam­me in Afri­ka ge­wirkt hat. Als 19-Jäh­ri­ge bin ich zu ihr an den Vik­to­ria­see nach Ke­nia ge­reist. Da­mals war es noch so, dass die Frau­en in Afri­ka ih­re Kin­der meist zu Hau­se be­ka­men. Als Schwes­tern­hel­fe­rin, die ge­ra­de mal Blut­druck mes­sen konn­te, muss­te ich plötz­lich und ganz al­lein ei­ner ge­bä­ren­den Frau hel­fen. Die Er­war­tung war, dass ich das als wei­ße Frau schon ma­che. Es ist nach ei­ni­gen Ma­növ­ern zum Glück auch ge­lun­gen, das Kind ge­sund auf die Welt zu brin­gen. Da­mals – in der Zeit kam ge­ra­de Aids auf – ist mir klar ge­wor­den, was man von den Afri­ka­nern ler­nen kann. Sie be­hal­ten trotz al­ler Sor­gen ei­ne ge­wis­se Le­bens­f­reu­de bei. Im Jetzt le­ben, die Le­ben­s­um­stän­de an­neh­men, wie sie sind, das kön­nen sie bes­ser als die Eu­ro­päer. Sie kön­nen ih­re Emo­tio­nen bes­ser le­ben. Da ist Eu­ro­pa ein Ent­wick­lungs­land.

Gibt es auch Män­ner als „Hebam­me“?

Ja, in Deut­sch­land gibt es ei­ni­ge we­ni­ge männ­li­che Kol­le­gen. In den Nie­der­lan­den gibt es we­sent­lich mehr männ­li­che Kol­le­gen. Nach dem neu­en Hebam­men­ge­setz hei­ßen seit 2019 auch die Män­ner in die­sem Be­ruf Hebam­me. Zu­vor wur­den sie ei­ni­ge Jah­re „Ent­bin­dungspf­le­ger“ ge­nannt.

Sind wer­den­de Vä­ter im Kreiß­saal aus Sicht der Hebam­me ei­ne Hil­fe oder ein Graus?

Die nor­ma­le Si­tua­ti­on heu­te ist, dass wer­den­de Vä­ter bei der Ge­burt da­bei sind. Die Ge­bä­ren­de zu un­ter­stüt­zen, ist gut und wich­tig. Als Hebam­me spü­ren wir recht sch­nell, ob ein wer­den­der Va­ter eher hilft oder hil­f­los ist. Da müs­sen wir sehr prag­ma­tisch rea­gie­ren. Die Ge­bä­ren­de zu un­ter­stüt­zen, ist gut und wich­tig. Da­bei spielt es kei­ne Rol­le, ob es sich um ei­nen Mann oder ei­ne Frau han­delt. Es gibt im­mer mehr Män­ner, lei­der auch Frau­en, die an­ge­sichts des Sch­mer­zes bei ei­ner Ge­burt sehr viel Angst be­kom­men. Die Fäl­le, in de­nen Frau­en sa­gen, dass sie be­wusst oh­ne Ehe­mann kom­men, sind hin­ge­gen in Eu­ro­pa sel­ten ge­wor­den.

In Afri­ka sind Män­ner in der Re­gel nicht bei der Ge­burt da­bei? Wä­re es bes­ser?

Ak­tu­el­le Er­geb­nis­se un­se­rer Afri­ka-Stu­die wei­sen dar­auf hin, dass eher weib­li­che Per­so­nen die Frau be­g­lei­ten. Die tra­di­tio­nel­le Wei­se ist: Die wer­den­de Mut­ter wird zur Kli­nik ge­bracht – samt Es­sen und Geld, manch­mal auch mit der Schwie­ger­mut­ter, die je nach Per­sön­lich­keit das Gan­ze ge­le­gent­lich kri­tisch be­auf­sich­tigt.

Mechthild Groß Videochat @ Friedrich Stark

Die Wis­sen­schaft­le­rin Mecht­hild Groß mit
Kol­le­gin Dr. Ef­fie Chi­pe­ta aus Mala­wi.

Frau­en be­nö­t­i­gen grund­sätz­lich die Er­laub­nis ih­rer Fa­mi­lie, um zur Ge­burt ins Ho­spi­tal zu ge­hen, sag­te mir mei­ne Kol­le­gin Dr. Ef­fie Chi­pe­ta vom Col­le­ge of Me­di­ci­ne in Mala­wi. In un­se­rem Afri­ka-Pro­jekt fra­gen wir uns, wel­che Rol­le die Vä­ter bei der so­zia­len Be­g­lei­tung wäh­rend der Ge­burt spie­len sol­len. Wird es über­haupt kul­tu­rell ak­zep­tiert, wenn der Mann da­bei ist? Es spielt aber auch ei­ne Rol­le, ob ge­nug Pri­vat­heit zu­ge­si­chert wer­den kann. Die Ge­bä­ren­de im kaum ab­ge­g­renz­ten Ge­bär­raum ne­ben­an soll­te nicht ge­se­hen wer­den kön­nen.

Wir wer­den hier ein kom­ple­xes Trai­nings­mo­dul ent­wi­ckeln, das den ver­schie­de­nen Ge­ge­ben­hei­ten Rech­nung tra­gen soll. Die Ant­wort auf Ih­re Fra­ge wer­de ich des­halb erst in un­ge­fähr zwei Jah­ren ge­ben kön­nen.

Haus­ge­burt oder Ge­burt in der Kli­nik?

Es gibt ei­ne gro­ße bri­ti­sche Stu­die da­zu: Bei Frau­en, die das zwei­te Kind be­kom­men, ist ei­ne Haus­ge­burt gut mög­lich, so­fern kei­ne me­di­zi­ni­schen Grün­de da­ge­gen­sp­re­chen. Beim ers­ten Kind geht das auch, aber man soll­te wis­sen: In un­ge­fähr ei­nem Vier­tel der Fäl­le wer­den die Frau­en ver­legt, kom­men al­so am En­de doch noch in die Kli­nik. Die Ge­burt des ers­ten Kin­des dau­ert in der Re­gel län­ger als die nach­fol­gen­den Ge­bur­ten. Die­se Er­geb­nis­se kann man nicht auf die Si­tua­ti­on in Afri­ka über­tra­gen, wo es im häus­li­chen Be­reich kei­ne Hebam­men gibt.

„Na­tür­­lich ge­­bo­­re­­ne Kin­­der ha­­ben we­­ni­­ger Pro­­b­­le­­me“

Plan­ba­rer Kai­ser­schnitt oder na­tür­li­che Ge­burt?

Kin­der wer­den ge­bo­ren. Na­tür­lich ge­bo­re­ne Kin­der ha­ben im Le­ben nach­weis­bar we­ni­ger Pro­b­le­me im Ver­g­leich zu de­nen, die oh­ne me­di­zi­ni­schen Grund ei­nen Kai­ser­schnitt er­hiel­ten. Es scheint sich ge­le­gent­lich ein Be­wusst­sein breit zu ma­chen, es wä­re le­gi­tim, ei­nen Kai­ser­schnitt bei un­zu­rei­chen­der me­di­zi­ni­scher Be­grün­dung pla­nen zu kön­nen. Da er mit lang­dau­ern­den Ri­si­ken vor al­lem für das Kind ver­bun­den sein kann und vie­le Ma­te­ria­li­en und Me­di­ka­men­te be­nö­t­igt wer­den, ist dies ge­ra­de mit Blick auf den afri­ka­ni­schen Kon­text kei­ne Al­ter­na­ti­ve. Ein Kai­ser­schnitt soll­te nur durch­ge­führt wer­den, wenn es da­für ge­wich­ti­ge me­di­zi­ni­sche Grün­de gibt.

Ist es egal, wie alt ei­ne Mut­ter bei der ers­ten Ge­burt ist?

Man soll­te sein ers­tes Kind be­kom­men, wenn der Kör­per sich gut dar­auf ein­rich­ten kann. Das Al­ter spielt kei­ne gro­ße Rol­le, wenn Kin­der so­zu­sa­gen vom Him­mel fal­len. Am al­ler­wich­tigs­ten ist, ob das Kind in ei­ne Fa­mi­lie kommt, in der es ge­wollt ist. Das wünscht man auch Schwan­ge­ren, die auf die 40 zu­ge­hen. Mit et­wa 45 Jah­ren zieht sich der weib­li­che Kör­per in sei­ner Re­pro­duk­ti­ons­f­reu­dig­keit zu­rück. Die Na­tur ist nicht dumm, die hat sich et­was da­bei über­legt. Ob es noch gut ist, dann über Jah­re zu ver­su­chen, künst­lich ei­ne mit Ri­si­ken ver­bun­de­ne Schwan­ger­schaft her­bei­zu­füh­ren, ist ei­ne an­de­re, viel schwie­ri­ge­re Fra­ge.

Die Me­di­zi­ni­sche Hoch­schu­le Han­no­ver ist am EU-For­schung­s­pro­gramm AL­ERT* be­tei­ligt. Mit wel­chem Ziel?

Die Eu­ro­päi­sche Uni­on hat ein For­schung­s­pro­jekt auf­ge­legt, mit dem Schwan­ger­schaft, Ge­burt und Wo­chen­bett in ar­men Län­dern un­ter­stützt wer­den. Un­se­re For­schung fin­det in Benin, Mala­wi, Tan­sa­nia und Ugan­da statt. Wir ar­bei­ten of­fi­zi­ell seit dem 1. Ja­nuar 2020 mit schwe­di­schen und bel­gi­schen Part­nern an dem Pro­jekt. Ziel ist, mit Trai­nings­mo­du­len die Be­t­reu­ung wäh­rend der Ge­bur­ten zu ver­bes­sern. Der­zeit ent­wi­ckeln wir drei Mo­du­le. Sie be­tref­fen die drei The­men: Wie wer­den Schwan­ge­re in den Kli­ni­ken auf­ge­nom­men? Wie sol­len sie wäh­rend der Ge­burt so­zial be­g­lei­tet wer­den? Wie soll kurz vor der Ge­burt der kind­li­che Kopf be­t­reut wer­den? Ins­ge­s­amt soll das Pro­jekt die Hebam­men­ar­beit und die An­er­ken­nung der Hebam­men ver­bes­sern hel­fen. Letzt­lich geht es dar­um, die Sterb­lich­keits­ra­te wäh­rend der Ge­burts­pha­se zu ver­rin­gern.

Die Kin­ders­terb­lich­keit in vie­len afri­ka­ni­schen Län­dern geht zu­rück…

Das ist si­cher auch ein Ver­di­enst der Hebam­men. Aber es hat ei­ne Ver­schie­bung ge­ge­ben: Frau­en blei­ben zur Ge­burt nicht mehr zu Hau­se, son­dern ge­hen in ei­ne Kli­nik. Die Qua­li­tät der teils klei­nen Ho­spi­tä­ler ist sehr un­ter­schied­lich. Lei­der hat sich jüngst ei­ne Ent­wick­lung ge­zeigt, die sich wie ei­ne Pan­de­mie ver­b­rei­tet: Hoch­schwan­ge­re Frau­en wer­den in den vol­len Kli­ni­ken nicht im­mer re­spekt­voll be­han­delt. Wer ein Kind be­kommt, ist hil­f­los und aus­ge­lie­fert. Das kann aus­ge­nutzt wer­den: Manch­mal wer­den Ge­bä­ren­de an­ge­schri­en, so­gar ge­schla­gen oder sie wer­den al­lein ge­las­sen. Den Frau­en kann in die­ser Si­tua­ti­on die Wür­de ge­nom­men wer­den.

Foto: KNA

Schla­fen­des Ba­by

Ja, die Kin­ders­terb­lich­keit geht zu­rück. Aber da­für geht es den Frau­en sch­lech­ter, sie wer­den häu­fig re­spekt­los be­han­delt. Dass Frau­en welt­weit durch häus­li­che Ge­walt un­ter ih­ren Män­nern lei­den, ist hin­rei­chend be­kannt. Dass sie wäh­rend der Ge­burt un­ter der Ge­walt des über­las­te­ten Ge­sund­heits­per­so­nals lei­den müs­sen, ist ein trau­ri­ger neu­er Trend. Da­her geht es in un­se­rem Pro­jekt vor al­lem auch um die Fra­ge, wie in der Ge­burts­hil­fe die re­spekt­vol­le Be­t­reu­ung der Frau ge­währ­leis­tet wer­den kann. In die­sem Zu­sam­men­hang wird es wie­der in­ter­es­sant, ob sich die wer­den­den Vä­ter auch in Afri­ka als so­zia­le Be­g­lei­ter in die Ge­burt ein­bin­den las­sen wol­len.

„Hebam­­men in Afri­­ka sind sehr gut aus­­­ge­­bil­­det“

Wie vie­le Hebam­men gibt es denn in Afri­ka?

Das ist schwie­rig zu be­ant­wor­ten, weil der Be­griff der Hebam­me nicht ein­heit­lich ver­wen­det wird. Die WHO, Welt­ge­sund­heit­s­or­ga­ni­sa­ti­on, spricht zum Bei­spiel sehr all­ge­mein von Ge­sund­heits­per­so­nal (Ge­sund­heits­ar­bei­ter = health ca­re wor­kers). Die Be­grif­f­lich­kei­ten sind noch ein un­ge­lös­tes Pro­b­lem. Aber na­tür­lich braucht Afri­ka mehr Hebam­men.

Hel­fen gut aus­ge­bil­de­te Hebam­men, die Rol­le der Frau in der afri­ka­ni­schen Ge­sell­schaft zu ver­bes­sern?

Es geht um das Frau­en­bild in der Ge­sell­schaft. Hebam­men in Afri­ka sind sehr gut aus­ge­bil­det. Die Be­rufs­grup­pe muss sich – wie auch in vie­len an­de­ren Län­dern auf der Welt – al­ler­dings noch mehr zu ei­ner Lob­by for­mie­ren. Die­ses The­ma ken­nen wir: Dass der Arzt, wenn er plötz­lich er­scheint, wich­ti­ger ist als die Hebam­me, das ge­schieht manch­mal auch bei uns. Dass es im­mer mehr Kai­ser­schnit­te gibt, ist auch ein Trend in Afri­ka. Da glei­chen sich die Wel­ten sehr sch­nell an.

Spie­len Ge­burts­my­then noch ei­ne Rol­le?

Es gibt noch ge­nü­gend My­then, die wir ab­ar­bei­ten müs­sen. Him­beer­blät­ter­tee lei­tet die Ge­burt nicht sch­nel­ler ein. Der Mond spielt auch kei­ne Rol­le bei Ge­bur­ten. Sol­che My­then sind wis­sen­schaft­lich wi­der­legt. Viel schwie­ri­ger ist die Fra­ge, was in und mit Fa­mi­li­en ge­schieht, wenn Ba­bys mit Fehl­bil­dun­gen ge­bo­ren wer­den. Das kann Fa­mi­li­en läh­men. Die Hebam­me Dr. Ef­fie Chi­pe­ta vom Col­le­ge of Me­di­ci­ne in Mala­wi be­rich­tet, dass Ge­burts­my­then in den länd­li­chen Ge­gen­den im­mer noch ei­ne gro­ße Rol­le spie­len. So wird es ger­ne ge­se­hen, wenn das ers­te Kind zu Hau­se ge­bo­ren wird – oh­ne Hebam­me, da­für mit der tra­di­tio­nel­len Ge­burts­be­g­lei­te­rin des Stam­mes. Je­g­li­che Art von Er­schwer­nis, et­wa ei­ne lan­ge Ge­burt, wird als Be­leg ge­wer­tet, dass das Kind von ei­nem an­de­ren Mann sein könn­te. Wenn aber Frau­en zu Hau­se blei­ben, ent­ste­hen bei lan­gen Ge­bur­ten sehr leicht schwe­re Kom­p­li­ka­tio­nen.

Weib­li­che Geni­tal­ver­s­tüm­me­lung kann zu Kom­p­li­ka­tio­nen bei der Ge­burt füh­ren. Wie gut müs­sen sich Hebam­men mit die­sem The­ma aus­ken­nen?

Es gibt sehr un­ter­schied­li­che For­men von Be­schnei­dun­gen bei Frau­en. Es gibt dar­un­ter For­men, die ei­ne na­tür­li­che Ge­burt ve­r­un­mög­li­chen. Hebam­men müs­sen wis­sen, was in wel­chem Fall zu tun ist. Aber der Schwer­punkt bei die­sem The­ma liegt in der Bil­dung, die da­zu bei­tra­gen soll­te, dass Be­schnei­dun­gen von jun­gen Frau­en ver­hin­dert wer­den.

Gibt es ei­ne opti­ma­le An­zahl von Kin­dern, die ei­ne Frau be­kom­men soll­te?

Men­schen aus bil­dungs­nähe­ren Schich­ten ver­hal­ten sich in die­ser Fra­ge häu­fig an­ge­mes­sen. Ver­nünf­tig ist, Kin­der dann in die Welt zu set­zen, wenn man es ver­ant­wor­ten kann, wenn man sie er­näh­ren und ih­nen Bil­dung ge­ben kann. Oft spielt aber die An­nah­me noch ei­ne Rol­le, dass ei­ne höhe­re Kin­der­zahl auch ei­ne bes­se­re Al­ters­ver­sor­gung be­deu­tet. Die­se Fra­ge stellt sich al­ler­dings nicht nur in Afri­ka, sie stellt sich auch bei uns, nicht nur in Fa­mi­li­en, die aus ei­nem an­de­ren Kul­tur­kreis kom­men. Oft hängt es auch von der Re­li­gi­on der El­tern ab, wie vie­le Kin­der sie sich wün­schen.

„Re­­li­­gi­o­­nen sol­l­­ten sich aus der Fa­­mi­­li­en­­pla­­nung her­aus­hal­­ten“

Kann Re­li­gi­on ein Hin­der­nis für ei­ne ver­nünf­ti­ge Fa­mi­li­en­pla­nung sein?

Schlüs­sel­fak­tor in der Fa­mi­li­en­pla­nung bleibt die Bil­dung. Re­li­gi­on wird von al­len prak­ti­ziert – von Ge­bil­de­ten und we­ni­ger Ge­bil­de­ten. Wer­den­de El­tern ma­chen sich mehr Ge­dan­ken, wenn sie auf­grund ih­rer Vor­bil­dung ih­re Pla­nung aus un­ter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven be­trach­ten kön­nen. Re­li­gio­nen soll­ten sich grund­sätz­lich aus der Fa­mi­li­en­pla­nung her­aus­hal­ten.

Warum wol­len Sie die Hebam­men­aus­bil­dung stär­ker aka­de­mi­sie­ren?

Deut­sch­land macht end­lich et­was, was vie­le afri­ka­ni­sche Län­der schon lan­ge ma­chen: die Öff­nung der Hebam­men­aus­bil­dung für die ter­tiä­re Bil­dung, al­so die Bil­dung an Hoch­schu­len, an de­nen man sei­nen Dok­tor ma­chen kann. Aka­de­mi­sie­rung schafft Ka­pa­zi­tät: Es schafft Res­sour­cen und Stel­len. Hebam­men­aus­bil­dung ist jetzt nicht mehr al­lein im Schul-, son­dern auch im Wis­sen­schafts­mi­nis­te­ri­um an­ge­sie­delt. Das ver­bes­sert zwar die Be­t­reu­ung der Ge­bä­ren­den nicht di­rekt, aber die Qua­li­tät der Aus­bil­dung mit­tel- und lang­fris­tig er­heb­lich. In Eu­ro­pa ist Deut­sch­land üb­ri­gens das letz­te Land, das die Hebam­men­aus­bil­dung aka­de­mi­siert. Die Nie­der­lan­de ha­ben die­sen Schritt be­reits 2005 voll­zo­gen.

Was kön­nen Eu­ro­päer von Afri­ka ler­nen?

Bei afri­ka­ni­schen Kol­le­gin­nen mer­ke ich: Sie ha­ben viel mehr Emo­tio­na­li­tät. Ge­fühl spielt ei­ne viel selbst­ver­ständ­li­che­re Rol­le im All­tag und auch im Be­ruf. Wir sind nicht nur Kol­le­gin­nen, son­dern auch Freun­din­nen. Afri­ka­ne­rin­nen ge­hen mit gro­ßer Freu­de und auch Dank­bar­keit an die Ar­beit. Als ich Dr. Ef­fie Chi­pe­ta von un­se­rem ge­plan­ten In­ter­view be­rich­te­te, war sie so­g­leich be­reit, auch am Wo­che­n­en­de Fra­gen zu den Ge­burts­my­then zu be­ant­wor­ten. Dies ist auch ei­ne Ges­te der Dank­bar­keit für jahr­zehn­te­lan­ge Un­ter­stüt­zung aus Eu­ro­pa. Vie­len Afri­ka­ne­rin­nen ist be­wusst, dass der Zu­gang zu Bil­dung ih­re Gold­mi­ne ist. In al­lem se­hen sie gött­li­ches Wir­ken - in je­der Ge­burt und je­dem neu­ge­bo­re­nen Kind.

In­ter­view: Franz Jus­sen; Fo­tos: Fried­rich Stark

Mechthild Groß Hebammenwissenschaftlerin @ Friedrich Stark

Zur Per­son

Mecht­hild Groß, 57, lei­tet als Pro­fes­so­rin die For­schungs- und Leh­r­ein­heit Hebam­men­wis­sen­schaft und den Eu­ro­päi­schen Mas­ter­stu­di­en­gang Hebam­men­wis­sen­schaft an der Me­di­zi­ni­schen Hoch­schu­le Han­no­ver (MHH). Sie in­i­ti­ier­te des­sen Grün­dung 2009. Die ge­lern­te Hebam­me, Kran­ken­schwes­ter und Psy­cho­lo­gin ar­bei­tet an der von der Eu­ro­päi­schen Uni­on ge­för­der­ten AL­ERT-Stu­die mit, in der Wis­sen­schaft­le­rIn­nen aus Afri­ka und Eu­ro­pa die Hebam­men­ar­beit durch ei­ne ver­bes­ser­te Aus­bil­dung wei­ter­ent­wi­ckeln möch­ten. Groß hat als Hebam­me und als Wis­sen­schaft­le­rin mehr­fach afri­ka­ni­sche Län­der be­sucht.


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Missionsschwestern v. d. Unbefleckten Empfängnis der Mutter Gottes

Missionsschwestern v. d. Unbefleckten Empfängnis der Mutter Gottes
Franziskusweg 2
D-48145 Münster

Missionsschwestern vom Hlst. Herzen Jesu

Missionsschwestern vom Heiligsten Herzen Jesu
Hohe Geest 73
D-48165 Münster-Hiltrup
www.msc-hiltrup.de

Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel

Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel
Friedensplatz 6
D-37308 Heilbad Heiligenstadt
www.smmp.de

Spiritaner

Spiritaner
Missionsgesellschaft vom Heiligen Geist
Missionshaus Knechtsteden
D-41540 Dormagen
www.spiritaner.de


VIDEO
Der Film erzählt von Schwester Marie Catherine im Niger, die zur Versöhnung von Muslimen und Christen im ärmsten Land der Welt beiträgt.

Unterwegs in ...
Das kontinente-
Reisetagebuch

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