Katholisch bleiben?Journalistin Christiane Florin und Schwester Katharina Kluitmann im Interview: zwei Frauen,
die messerscharf analysieren, aber zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen kommen. |
Die eine ist Journalistin, die andere Ordensfrau. Beide sind katholisch und prangern Macht, Missbrauch und Missstände in der Kirche schonungslos an. Im kontinente-Interview wird deutlich: Journalistin Christiane Florin und Schwester Katharina Kluitmann vertreten unterschiedliche Standpunkte.
Hier Auszüge aus de beiden Interviews.
Frau Florin, in Ihrem Buch Trotzdem! Wie ich versuche, katholisch zu bleiben, schreiben Sie: „Ich laufe bleibend davon“. Gilt das noch?
Ich bin noch zahlendes Mitglied der römisch-katholischen Kirche. Aber ich mache ja in meinem Buch einen Unterschied zwischen römisch-katholisch und katholisch. Ich glaube, katholisch ist eine Frage der Sozialisierung. Römisch-ka-tholisch ist für mich die Lehre der katholischen Kirche, von der ich das meiste schon lange nicht mehr teile.
Was verbinden Sie mit katholisch-Sein?
Zunächst etwas, in das ich hineinge- wachsen bin. Ich bin im rheinischen Katholizismus groß geworden. Christentum ist für mich bis heute stark mit der Idee der Gerechtigkeit verbunden. Es ist nur nicht mehr so, dass ich mir hier von der Kirche großartige Fortschritte erhoffe.
Warum nicht?
Die K irche setzt sich für Gerechtigkeit ein, wenn es eine Forderung an andere ist – aber nicht, wenn es um sie selber geht. Die Institution römisch-katholische Kirche ist nicht gerecht. Sie unterscheidet zwischen dem Stand der Geweihten und dem der Nicht-Geweihten – und zwischen den Geschlechtern. Aus dem Unterschied wird ein Unterordnungsverhältnis hergeleitet: Laien sind Klerikern untergeordnet und Frauen Männern.
Kann man katholisch bleiben, ohne der verfassten Kirche anzugehören?
Ich glaube nicht. Damit macht man es sich zu leicht. Man kann nicht sagen: „Die Botschaft ist toll. Aber die Institution hat eben viele Schäden.“ Ich glaube, dass Machtmissbrauch im Keim in einer religiösen Botschaft angelegt ist. Das fängt schon mit einem Satz an wie „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das
Leben“. Der Wahrheitsanspruch ist zugleich ein Überlegenheitsanspruch. Es gibt Menschen, die abstreiten, dass Jesus macht hatte. Natürlich hatte er Macht. Er hatte, was max Weber als „charismatische Herrschaft“ bezeichnet.
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Schwester Katharina, viele, selbst hoch engagierte Katholiken wenden sich enttäuscht von der Kirche ab. Haben Sie dafür Verständnis?
Ich habe volles Verständnis, wenn jemand die Kirche verlässt, wobei die Gründe sehr unterschiedlich sind. Es gibt Leute, die kehren der Kirche den Rücken, weil sie mit dem Ganzen nichts anfangen können. Das kennen wir schon lange, das ist nichts Besonderes. Was ich sehr bedrückend finde, ist, dass die Men-schen, die jetzt austreten, häufig aus dem inneren Kreis kommen: Menschen, die sich ehrenamtlich, manchmal sogar hauptamtlich engagiert haben, und sagen: „Ich muss jetzt gehen, um ein Zeichen zu setzen!“ Sie verlassen die verfasste Kirche, aber nicht ihren Glauben und sagen das auch deutlich so.
Kann man katholisch bleiben, ohne der verfassten Kirche anzugehören?
Was ist den Zugehörigkeit zur verfassten Kirche? Ist das Kirchensteuer zahlen?
Daran wird Kirchenzugehörigkeit zumindest in Deutschland bemessen...
Theologisch nicht. Theologisch heißt einmal getauft: immer getauft. Ich finde, wir müssen in der Tat die Frage stellen, ob man bei Menschen, die austreten, behaupten kann: Die haben die Kirche verlassen. Oder ob sie nur eine Sozialform verlassen haben, weil sie sagen: Ich kann eine Institution, die sich so verhält, nicht unterstützen. Auch der Kirchenaustritt kann ein Sich-Engagieren sein.
Was treibt Gläubige aus der Kirche?
Manchen geht es um Missbrauchsfragen – nicht nur wegen der Taten, sondern auch wegen der Art, wie vertuscht, wie unsensibel mit Betroffenen umgegangen wird. Bei anderen sind die ganzen systemischen Fragen obenauf: Wie ist es mit der Machtfülle bei den Klerikern, bei Priestern, Bischöfen? Wie ist das überhaupt mit dem Machtgefüge in der Kirche? Müssen wir Kirche so pyramidal denken? Gibt es Teilhabe an der Macht nur durch das Priester-Nadelöhr? Ist das biblisch? Ist das jesuanisch?
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Die Interviews führte Beatrix Gramlich.
Foto: KNA
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