Foto: Olaf Derenthal/Kindermissionswerk |
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Olaf Derenthal
Spiritaner flieht aus der
Zentralafrikanischen Republik
Interview: Urte Podszuweit/Kindermissionswerk ,Die Sternsinger'
Seit Oktober 2016 arbeitet Olaf Derenthal in der Zentralafrikanischen Republik. Der Spiritualer und Projektpartner des Kindermissionswerks ,Die Sternsinger’ koordiniert Gesundheitsprojekte in der Diözese Alindao. Als die kämpferischen Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Milizengruppen in der Provinzhauptstadt Mobaye zu gefährlich wurden, ist er mit seinen Mitbrüdern in die Demokratische Republik Kongo geflohen.
Pater Olaf, können Sie beschreiben, unter welchen Umständen Sie und Ihre Mitbrüder aus der Zentralafrikanischen Republik geflohen sind?
Als wir vorletzten Sonntag Mobaye verlassen haben, da waren die allermeisten unserer Gemeindemitglieder gar nicht mehr vor Ort, sondern hatten über den Ubangi-Fluss schon ins Nachbarland, den Kongo, übergesetzt. Das dauert mit dem Einbaumboot nur ein paar Minuten. Aus unserer Kirche war in den zehn Tagen zuvor ein kleines Flüchtlingslager geworden. Nachts haben wir alle in dem Gotteshaus geschlafen. In Dörfern, nur ein paar Kilometer von Mobaye entfernt, war es nämlich zu Kämpfen zwischen zwei verfeindeten Rebellengruppen gekommen, und diese Kämpfe drohen bis heute auch in unserer Stadt. Dann kam eines Tages der General der Rebellen vorgefahren und hat uns gedroht. Innerhalb eines Tages müssten wir die Kirche nachts räumen, sonst würden sie die Kirche angreifen. Sie warfen uns nämlich vor, die gegnerische Rebellengruppe zu unterstützen, was natürlich absolut nicht stimmt. So haben auch wir uns schweren Herzens entschlossen, ins Nachbarland zu fliehen.
Was wissen Sie über den Hintergrund der aktuellen Unruhen?
Seit der Rebellion vor vier Jahren war unsere Gegend von den sogenannten Seleka-Rebellen beherrscht. Die haben die Leute ausgebeutet und ihnen das Leben schwer gemacht. Aber es war kein Krieg, so wie jetzt. Vor ungefähr einem Monat begannen andere Rebellen an verschiedenen Orten, die Selekas anzugreifen. Sie wollen sie vertreiben. Ich kann das gut verstehen. Aber leider sind diese Gegenrebellen auch sehr grausam und verschonen die Zivilbevölkerung nicht. Bei den Kämpfen sterben vor allem unschuldige Menschen, die keine Waffen tragen, auch Mütter und sogar Kinder.
Haben Sie noch Kontakt mit Menschen in der Zentralafrikanischen Republik? Was hören Sie von dort?
Die Auswirkungen sind verheerend! Für die Menschen im Landesinneren besteht die Bedrohung täglich fort. Man weiß nie, wann und wo Rebellen auftauchen und sich an der Zivilbevölkerung vergehen. Die bekommen ja keinen Sold. Alles, was sie brauchen, stehlen sie. So einfach ist das. Und einige von ihnen schrecken auch nicht davor zurück, die Bevölkerung anzugreifen, wenn man sich widersetzt. Für uns am Ubangi-Fluss, das heißt an der Grenze zum Kongo, bietet sich ein Vorteil. Der Weg in das sichere Nachbarland steht offen. Nun droht aber hier für die Tausende von Flüchtlingen eine humanitäre Katastrophe. Denn die Menschen sind geflohen mit ein wenig von dem, was sie haben. Sie leben jetzt von ihren Reserven, aber die werden nicht lange halten. Es braucht humanitäre Hilfe, Lebensmittel, Medikamente, Unterkünfte rasch und in großem Stil. Aber das läuft hier alles nur sehr, sehr schleppend an.
Eine solche Notsituation ist für Erwachsene schon schwer zu ertragen. Wie geht es den vielen Kindern?
Die, die das größte Leid tragen, sind die Kinder. Natürlich gibt es schon seit Wochen keine Schule mehr. Aber auch zu „Friedenszeiten" war das ein großes Problem, denn viele Kinder haben überhaupt keinen Zugang zu Schulbildung. Ein noch dringenderes Problem ist jetzt aber ihre Gesundheit. Menschen schlafen unter Planen und in Hütten, werden nass, wenn es regnet, es gibt keine Moskitonetze... Viele Kinder auf der Flucht werden krank. Und einige von ihnen sterben, da es keinen Zugang zu grundlegenden Medikamenten gibt, um rasch Malaria, Durchfall- und Atemwegserkrankungen zu bekämpfen. In den zehn Tagen mit Flüchtlingen in unserer Kirche habe ich auch eine Reihe von Kindern behandeln müssen – dies war nur möglich durch die Medikamente der Equipe Mobile, der mobilen Krankenstation. Aber ein kleiner Junge, der schon schwerkrank mit Malaria war, ist gestorben.
Was waren bzw. sind Ihre Aufgaben in der Zentralafrikanischen Republik?
Es ist meine Aufgabe, bestehende Gesundheitseinrichtungen unserer noch jungen Diözese zu unterstützen und eventuell neue Projekte auf den Weg zu bringen. Bislang sind das eine mobile Krankenstation, ein kleines katholisches Krankenhaus und die Unterstützung von zwei Gesundheitsposten.
Idee der mobilen Krankenstation ist, mit dem Auto – oder auch zu Fuß oder dem Boot – in entlegene Dörfer zu gehen, wo es keinen Gesundheitsposten gibt. Dort behandeln wir kranke Menschen, soweit es uns möglich ist, versuchen aber auch, über Gesundheitsrisiken aufzuklären, um weitverbreitete Erkrankungen zu verhindern. Dazu sind wir ein Team von vier Mitarbeitern.
Wir hatten mit der Arbeit gerade begonnen, als der Krieg unter den verfeindeten Rebellen ausbrach. Eine Kollegin ist jetzt unter den Flüchtlingen in 40 Kilometern Entfernung von uns. Dort behandelt sie Kranke mit Medikamenten, die eine andere Organisation ihr zur Verfügung stellt. In Zukunft wird ein Schwerpunkt unserer Arbeit sicher die Sorge um unsere Kriegsflüchtlinge sein.
Was kann den Konflikt stoppen? Wie kann den Menschen in der Zentralafrikanischen Republik jetzt aktuell geholfen werden?
Allein eine Entwaffnung aller Rebellengruppen kann wieder Sicherheit in unsere Region bringen. Das Wort „Frieden" möchte ich noch nicht aussprechen, denn dazu bedarf es viel mehr. Vor allem die Entwaffnung der Herzen. Aber das wird lange dauern, denn angesichts der Verbrechen, die hier begangen wurden, hat der Hass auf „die anderen" das Herz vieler Menschen ergriffen. Was jetzt Not tut, ist unbürokratische, professionelle Hilfe, und zwar sofort!
Wie verarbeiten Sie die letzten Tage? Wie geht es Ihnen? Was hilft Ihnen?
Mir und meinen Mitbrüdern geht es gut. Das Pfingstwochenende haben wir mit unseren geflohenen Gemeindemitgliedern verbracht: Eine Gebetsnacht in der Kirche unserer kongolesischen Nachbarn, dann mit der kongolesischen Gemeinde einen gemeinsamen Pfingstgottesdienst. Das tat uns allen gut, unseren Gott des Lebens inmitten aller Gefahr und allen Verlustes zu feiern. Wissen, dass wir nicht allein sind, sondern dass sein Geist mitten unter uns ist. Das hilft. Und angesichts der Toten das Vertrauen zu bewahren, dass sie nun in Gottes Gegenwart leben, ohne Angst, ohne Not. Gott ist stärker als der Tod.
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