Beate Heinen in ihrem Atelier. Foto: Achim Hehn |
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„Gott ist mein Navi“
Interview mit der Malerin Beate Heinen
Beate Heinen lebt als Benediktinerin zehn Jahre in einem Kloster, bevor sie sich für den Austritt und ein Dasein als freischaffende Künstlerin entscheidet. Sie sagt: „Gott hat mich ins Kloster und später wieder heraus geführt.“ Mit Ende 30 bekommt sie eine uneheliche Tochter und findet mit 66 Jahren eine neue Liebe. Bekannt sind ihre jährlichen Weihnachtsbilder mit aktuellem Bezug.
Ihr Ordensname war Felicitas, ihr ziviler Name ist Beate. Ein gutes Omen für das Leben?
Ja, beide Namen bedeuten „Die Glückliche“. Ich habe in meinem Leben wirklich sehr viel geschenkt bekommen: die Unterstützung meiner Eltern, eine wunderbare Tochter, eine neue Liebe mit 66.
Aber es gab auch Krisen...
Allerdings. Für die künstlerische Arbeit sind die aber gar nicht so schlecht. Komponisten, Maler, Autoren – je mehr sie leiden, umso tiefer sind ihre Aussagen. Man sagt: „Die größte Gefahr für einen Maler ist eine glückliche Heirat.“ Da ist etwas dran. Wenn ich glücklich bin, dann bin ich nicht mehr so schöpferisch. Der Tod mehrerer Familienmitglieder in den vergangenen Jahren war für mich sehr schmerzhaft. Von meiner neunköpfigen Ursprungsfamilie leben nur noch mein jüngerer Bruder und ich. Aber ich glaube, dass Gott es absolut gut mit uns meint. Er lacht und weint mit uns. Wir wachsen in den Zeiten des Leidens. Gott ist wie ein Freund, der mich durch das Leben leitet.
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Der Gott, der mich mit 19 Jahren ins Kloster St. Hildegard in Eibingen geführt hat, hat mich auch wieder hinaus begleitet. Es gab keinen Bruch mit ihm. Ich hatte mich lediglich entschieden, das, was ich mit Gott erfahren hatte, auf andere Weise weiterzugeben – als freischaffende Künstlerin. Trotzdem war es zunächst schwierig. Ich konnte nicht mal Kaffee kochen, hatte bis dahin nur gemalt. Aber egal, welchen Weg ich einschlug, immer erlebte ich Gott als mein Navi, das „bitte umkehren“ sagt, wenn es nötig ist. Und dann von meinem aktuellen Standpunkt aus eine neue Strecke errechnet. Gott lässt uns die Freiheit, zu entscheiden. War der Weg falsch, zeigt er Alternativen.
Was ließ Sie zum Pinsel greifen?
So lange ich denken kann, habe ich gemalt. Meine Erinnerung reicht in mein viertes Lebensjahr zurück, zu einem besonderen Ereignis: Ich bemalte den Bürgersteig und die Nachbarskinder sagten: „Das darfst du nicht. Wenn die Polizei kommt, sperrt sie dich ins Kittchen.“ Wenige Minuten später bog der Dorfpolizist um die Ecke. Alle rannten davon, ich stand zitternd vor ihm. Doch dem Mann gefiel mein Bild. Er spendierte mir sogar ein Eis. Das war mein erstes Honorar.
Welche Bedeutung hat die Kunst in Ihrem Leben?
Sie und Gott sind der rote Faden. Beim Malen kann ich tun, was ich will. Ich fühle mich geschützt wie in einer Höhle. Dankbar bin ich, dass meine Tochter und ich immer gut von meiner Kunst leben konnten. Das ist nicht selbstverständlich. Noch als Schwester Felicitas wurde ich von einem Pater der Benediktinerabtei Maria Laach entdeckt. Bis heute arbeite ich eng mit dem dortigen
Kunstverlag zusammen. Maria Laach ist mir eine zweite Heimat geworden.
Wie bezeichnen Sie Ihren Stil?
Ich habe mich nie an irgendetwas richtig angelehnt, aber viel ausprobiert: Sinnspruch-Grafiken mit dem kleinen Männlein „Beatus“, der humorvoll und warmherzig das Leben betrachtet, Blei-stiftzeichnungen, einen Kreuzweg mit Bildern auf unbehauenen Steinen, fotorealistische Arbeiten, Bleiverglasung, Gemälde zu Motiven aus der Bibel. Es sind meine ganz eigenen Werke. Geprägt bin ich durch meine Zeit an der Kunstwerkschule Köln und meine Lehrjahre in der Schweiz, unter anderem bei dem Surrealisten Max von Moos und dem benediktinischen Malermönch Karl Stadier.
Die Farben blau und rot dominieren Ihre Bilder. Ein Zufall?
Beide mag ich sehr. Blau ist die Farbe der Sehnsucht, der Weite, des Meeres. Rot steht für Feuer, Leidenschaft, aber auch Gefahr. Die Farbe weckt ambivalente Assoziationen, ist spannend.
Sie malen die Heilige Familie seit 40 Jahren. Mal in einem Müllwagen, mal vor dem Atomreaktor von Fukushima und immer wieder auf der Flucht. Warum?
Weihnachten hat zu viel Zuckerguß. Vielleicht brauchen wir das auch mitten im Winter. Aber so war das ursprünglich nicht. Das war eine ziemlich harte Sache. Maria, eine junge Frau, schwanger vom Heiligen Geist. Wer würde ihr glauben? Wo sollte sie das Kind gebären? Sie muss eine unmenschliche Angst gehabt haben. Ich möchte eine Parallele ziehen zur Realität und fragen: Sehen wir unsere Brüder und Schwestern, die Vertriebenen, die unsere Hilfe brauchen? Was ist heute die Botschaft Gottes an uns? Der Rechtsruck in unserer Gesellschaft erschreckt mich.
Woher kommt Ihr Optimismus?
Wir müssen uns nicht selbst erlösen. Ich glaube, Gott hat schon bei unserer Zeugung ein Bild von uns. Wenn wir zu ihm kommen, haben wir das meist noch nicht erfüllt. Er wird es vollenden.
Verraten Sie uns, warum Sie einmal einen Brief von Papst Johannes XXIII. zerrissen haben?
Ich war sauer. Ich hatte an den Papst geschrieben, damit er meine Schwester und mich bei unserem Wunsch, Ordensfrauen zu werden, unterstützt. Unsere Mutter war der Meinung, wir sollten erst mal eine Berufsausbildung machen, dann könnten wir immer noch schauen. Der Papst, obwohl er sich über unsere Berufung freute, schlug sich auf die Seite unserer Mutter. Sein Argument war: Jesus sei auch erst mit 30 Jahren aktiv geworden und habe vorher den Eltern gehorcht. Voller Wut zerriss ich den Brief. Heute bereue ich das.
Welche Zukunftspläne haben Sie?
Vor vier Jahren, mit 68, habe ich eine Ausbildung zur Kunsttherapeutin begonnen. Außerdem lebe ich seit einigen Jahren in einer sehr glücklichen Beziehung und bin seit zwei Jahren Oma. Alt werden ist nicht nur Tod und Langeweile. Zwar habe ich mich mit dem langsameren Tempo noch nicht abge- funden. Aber ich mache die Erfahrung, dass uns jederzeit von Gott Möglichkeiten geboten werden. Auch im Kleinen. Ich bin gespannt, was noch kommt.
Interview: Eva-Maria Werner
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