Eine Investition in die Menschheit
Weltweit leisten Menschen am Sonntag der Weltmission ihren Beitrag zur Entwicklung einer globalen Solidargemeinschaft. Der Generalsekretär des Päpstlichen Werkes für die Glaubensverbreitung, Pater Timothy Lehane Barrett, erklärt im Interview mit kontinente den Globalen Solidaritätsfonds.
Denkt global: Pater Timothy Lehane Barrett, Generalsekretär der Päpstlichen Missionswerke. ©: Siciliani
Die Päpstlichen Missionswerke sind die offizielle katholische Organisation für die Förderung missionarischen Handelns und die Sammlung von Spenden zur Unterstützung der Kirche in Afrika, Asien und Ozeanien. Welche besondere Bedeutung hat diese Gemeinschaft der Missionswerke, die heute in über 150 Ländern der Erde vertreten sind?
Pater Timothy Lehane Barrett: Pauline Jaricot, die Gründerin der Päpstlichen Missionswerke, sagte, einen Menschen wirklich zu lieben bedeute, ihm die Liebe Gottes zu zeigen. Darum gehen wir über das hinaus, was wir gemeinhin als Wohltätigkeit verstehen und fragen nach dem tieferen Grund, warum wir überhaupt geben sollen. Als Katholiken haben wir durch die Taufe eine besondere Würde empfangen. Wir sind eingeladen, Verantwortung für unseren Bruder und unsere Schwester zu übernehmen und das missionarische Handeln der Kirche mitverantwortlich zu gestalten. Wir wollen die Würde der einzelnen Person entwickeln – innerhalb der christlichen Gemeinschaft, in einer Nation, ja in der ganzen Menschheit. Wenn ich es mit einem Ausdruck aus der Finanzwelt sagen darf: Wir investieren in die Menschheit, weil Gott sein Vertrauen in das menschliche Herz gesetzt hat. Er hat an die Güte geglaubt, zu der das Herz fähig ist, mehr noch, er hat ihm seine Kreativität, seinen Leben gebenden Geist geschenkt. Zu geben ist deshalb nicht einfach eine Frage finanzieller Hilfe. Unser Ziel ist es, den menschlichen Geist anzutreiben oder aufzurichten. Dies ist ein konkreter Ausdruck unserer Solidarität mit der weltweiten Kirche. Weil wir als Brüder und Schwestern geben, überwinden wir die Barriere zwischen Reich und Arm.
Wie soll dies konkret funktionieren?
Pater Timothy Lehane Barrett: Genau genommen geht es darum: Die eine Ortskirche gibt der anderen. Wir helfen einer Ortskirche, die einen konkreten Bedarf hat, etwa in der Ausbildung. Wer gibt, tut dies aus Liebe, genauso wie derjenige, der empfängt, aus Liebe empfängt. Niemand ist so arm, dass er nichts geben könnte und niemand ist so reich, dass er nichts empfangen könnte. Das globale Netzwerk der Päpstlichen Missionswerke schafft außerdem Transparenz und erleichtert die Rechenschaftslegung. Derjenige, der gibt, kann sichergehen, dass seine Hilfe für den Zweck eingesetzt wird, für den sie gegeben wurde, und zwar mit den geringst möglichen Verwaltungskosten. Darüber hinaus nimmt der Geber selbst aktiv teil am Handeln dieser Ortskirche.
Viele Gläubige unterstützen ein Projekt, eine Ordensfrau oder einen Priester. Sie schätzen die persönliche Beziehung. Neben dieser individuellen Förderung hat die Kirche den Globalen Solidaritätsfonds aufgebaut. Warum?
Pater Timothy Lehane Barrett: Sie als Förderer greifen nicht selbst jemanden heraus, den Sie fördern möchten, sondern erlauben einem Volk und seinen Missionaren, selbst ihre Anliegen vorzutragen und um Hilfe für das zu bitten, was sie aus eigener Kraft nicht schaffen können. Wer so gibt, gibt mehr als nur finanzielle Hilfe: die Bereitschaft zuzuhören, Vertrauen und Würde. Mit dem Globalen Solidaritätsfonds erreichen wir die Menschen, deren Adresse keine Postleitzahl hat. Menschen, die niemanden haben, der für sie eintritt. Viele von ihnen sind Repressionen ausgesetzt, doch ihre Nöte werden von keiner Medienkampagne und keiner Pressemeldung beleuchtet. Diese Menschen, das habe ich selbst als Missionar immer wieder erlebt, sind zu arm und zu verängstigt, um an die Tür zu klopfen. Sie schämen sich dafür, dass jemand sehen könnte, wie sie um etwas bitten. Ihnen gilt die Sorge der Missionare, die sie ermutigen, selbstständig zu denken, ihre Bedürfnisse zu formulieren und um Hilfe zu bitten. Die Päpstlichen Missionswerke wie missio geben den Bedürfnissen der unerkannten Armen dieser Welt Würde und Dringlichkeit. Sie werden Teil der missionarischen Familie und geben uns die Möglichkeit, menschlicher zu werden.
Wie bewerten Sie die direkte Unterstützung einzelner Menschen und ihrer Projekte verglichen mit dem Solidaritätsfonds?
Pater Timothy Lehane Barrett: Eine individuelle Solidaritätsinitiative kann auf subtile Weise dazu ermutigen, überreich auf eine einzelne Not zu antworten und bringt nicht selten Projekte hervor, die nicht in das Umfeld passen. Es kann passieren, dass eine Gemeinde sich verpflichtet fühlt, ein und dasselbe Projekt über lange Zeit finanziell zu unterstützen. In der Folge werden Anforderungen festgeschrieben, während gleichzeitig auf Empfängerseite die Versuchung steigt, Antworten zu schönen, um mehr Mittel zu erhalten oder die Hilfe langfristig zu sichern. Ich habe das oft erlebt: Ein Projekt, das mit bester Absicht gefördert wurde, ein von einer engagierten Pfarrgemeinde gefördertes Bauwerk nach westlichen Standards zum Beispiel, scheitert daran, dass das verwendete Material, die Bauweise und die Abmessungen nicht zu den sozialen Verhältnissen und den Lebensgewohnheiten der Menschen vor Ort passen.
Aus dem Globalen Solidaritätsfonds werden über 1000 Diözesen unterstützt – Diözesen, die zu jung oder zu arm sind, um ihren Dienst für die Menschen aus eigener Kraft zu finanzieren. Wo sehen Sie die Herausforderungen der Zukunft?
Pater Timothy Lehane Barrett: Wir müssen in der Lage sein, auf die spirituellen Herausforderungen zu antworten, vor die die Welt uns heute stellt. Der Mensch sucht und wir haben in Jesus Christus die Antwort. Wir müssen nach Wegen suchen, noch stärker in Projekte zu investieren, die der Welt Leben und Hoffnung bringen. Die Antwort kann nur sein, als Christen Mitverantwortung zu übernehmen. Gefordert sind ein neuer Impuls, eine neue missionarische Begeisterung und eine kritische Überprüfung der Wirklichkeit, damit wir wissen, wo wir stehen. Wir brauchen eine gemeinsame Zielplanung und gemeinsame Programmvorschläge. Wir sind uns bewusst, dass die Situation der einzelnen Länder sehr unterschiedlich ist, aber wir können einander wahrnehmen und uns dort unterstützen, wo wir alle gemeinsam betroffen sind. Das erfordert Verständnis, Bewusstseinsbildung und Information.
In vielen Ländern erfahren Christen eine zunehmende Diskriminierung und Unterdrückung. Was können Katholiken tun, um Christen in Bedrängnis zu unterstützen?
Pater Timothy Lehane Barrett: Auf jeden Fall können sie verfolgten Christen direkt helfen, und sagen: „Wir sind hier bei dir im Gebet und durch unsere konkrete Unterstützung.“ Ein schlichtes Ding wie etwa der Kauf eines Videorecorders kann für einen Bischof einen großen Unterschied machen, der häufig das Haus nicht verlassen kann, ohne sich in Gefahr zu begeben. Ein Motorrad kann das Leben einer Schwester retten, wenn sie ihrer Arbeit im Dienst an den Armen nachgeht.
Pater Timothy, haben Sie eine Vision für die Zukunft? Was möchten Sie den Katholiken in Europa mit auf den Weg geben?
Pater Timothy Lehane Barrett: Du bist für andere ein verlässlicher Freund und das Gute in dir ist dein wahres Ich. Liebe Freundinnen und Freunde, begegnet der Welt voller Liebe, seid achtsam und andächtig, verfolgt die Nachrichtensendungen und denkt darüber nach, wohin die Welt steuert. Seht, was die Kirche tut, was die Missionare in unser aller Namen tun. Dies ist mein stilles Gebet für alle von uns.
Interview: Katja Heidemanns
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