Drei Stimmen, zwei Kontinente, eine BotschaftVanessa Nakate aus Uganda und Aeshnina Azzahra Aqilani aus Indonesien und Fatou Jeng aus Gambia haben als
Klimaaktivistinnen ihren ganz eigenen Stil gefunden.
Was sie vereint, sind ihre Ziele: sie wollen zum Handeln bewegen und für mehr Gerechtigkeit sorgen. |
Interviews: Pia Scheiblhuber
Fotos: ecoton Indonesia; Fatou Jeng; picture alliance/Photoshot
VANESSA NAKATE, UGANDA
Vanessa Nakate wirkt schüchtern. Aber wenn sie über Klimagerechtigkeit spricht, ist jede Spur von Zurückhaltung wie weggeblasen. Die Uganderin argumentiert mit Fakten, überzeugt aber ebenso mit emotionsgeladenen Appellen. spätestens seit dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos 2020 ist sie als eine der wichtigsten Klimaaktivistinnen Afrikas bekannt: Damals wurde sie aus einem Gruppenfoto mit Fridays For Future-Aktivistinnen geschnitten – als einzige Nicht-Weiße. Das hielt sie aber nicht davon ab, weiter ihre Stimme zu erheben. Im Gegenteil: Sie startete eigene Projekte wie die Initiative zum Schutz des Regenwaldes im Kongo. Dieses Jahr wurde ihr der Helmut-Schmidt-Zukunftspreis verliehen.
Zu Beginn Ihrer Rede bei der Helmut Schmidt-Zukunftspreisverleihung dankten Sie neben der Jury auch Gott. Welche Rolle spielt Glaube in Ihrem Einsatz?
Eine sehr große. Mein Glaube hilft mir, an einer Zukunft zu arbeiten, die uns im Moment noch unbekannt ist. Er hilft mir, zu erkennen, dass diese Zukunft, für die wir kämpfen, ein Lichtblick ist.
Was gibt Ihnen darüber hinaus Hoffnung im Kampf für Klimagerechtigkeit?
Ganz viele Dinge, zum Beispiel das Gefühl, Teil einer globalen Bewegung zu sein und zu wissen, dass ich keine Einzelkämpferin bin. Millionen junger Menschen engagieren sich für Klimagerechtigkeit, obwohl das oft frustrierend ist. Sie lassen aber nicht nach, das gibt mir Hoffnung. Die Stärke der globalen Klimabewegung hilft mir auch persönlich: Wenn ich mal eine Pause brauche, kann ich mir die auch nehmen, denn ich kann sicher sein, dass meine Mitstreiter weitermachen.
Zu Ihrem Engagement gehören nicht nur Klimastreiks und die Teilnahme an Konferenzen. Sie haben auch konkrete Projekte gestartet, zum Beispiel das Green School Project. Worum geht es dabei?
Mit diesem Projekt versorgen wir Schulen mit Solarpanelen und ökologischen Öfen und zwar in ländlichen Regionen, die oft vom Strom abgeschnitten sind. Ich glaube daran, dass man Gemeinschaften auch durch kleine Veränderungen verbessern kann. Denn ich weiß: In diesen Schulen ändert sich das Leben der Schüler schon allein dadurch, dass sie dank der Kochöfen eine warme Mahlzeit bekommen und die Sonnenkollektoren sie mit Strom versorgen. Ich bin überzeugt, dass keine Handlung zu klein ist, um die Welt zu verändern.
Sie argumentieren mit Fakten, sprechen die Menschen aber auch emotional an. Wie wichtig ist dieses Zusammenspiel von Wissenschaft und Gefühlen?
Fakten sind natürlich wichtig, um das Ausmaß der Klimakrise zu kommunizieren: zum Beispiel die Tatsache, dass Afrika nur für rund drei Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich ist, obwohl dort 17 Prozent der Weltbevölkerung leben. Der Klimawandel spiegelt sich aber auch fernab der Statistiken wider - es geht ja letztlich um Menschen, ihre Schicksale und Erfahrungen. Was passiert mit einer Familie, die wegen einer Überschwemmung ihre Zuhause verliert? Was mit einem Bauern, der wegen Dürre nicht ernten kann? Wir müssen die Menschen daher auch über Emotionen ansprechen.

Ihre Eltern motivierten Aeshnina, ihre eigenen Klimaprojekte zu starten – von Müllsammeln bis Bäumepflanzen.
AESHNINA AZZAHRA AQILANI, IDONESIEN
Für ihren Traum von einer plastikfreien Zukunft schreckt Aeshnina Azzahra Aqilani auch vor Politikgrößen nicht zurück: Sie forderte den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump in einem Brief auf, den Transport von Plastikmüll in ihr Heimatland Indonesien zu stoppen. Später schrieb sie auch Joe Biden und übergab dem deutschen Botschafter in Indonesien einen Brief an die Bundesregierung. Antworten bekam sie nicht. Doch die 15-Jährige, die in einer Industrieregion in Ost-Java lebt, denkt nicht ans Aufgeben. Sie organisiert Müllsammelaktionen, pflanzt Bäume und plant Ausstellungen. In den Dokumentarfilmen „Die Recyclinglüge“ und „Kinder der Klimakrise“ macht sie auf ihren Einsatz aufmerksam.
Was hat dich motiviert, fürs Klima aktiv zu werden?
Meine Eltern sind beide Klimaaktivisten. 2019 zeigten sie mir ein Dorf, das zu einem Abladeplatz für Plastikmüll wurde. In den Vorhöfen der Häuser lagen Müllberge aus Kunststoff. Auch am Ufer des Brantas, dem längsten Fluss in Ost-Java, lagen Unmengen Plastik. Das war schockierend, versorgt dieser Fluss doch fünf Millionen Menschen mit Trinkwasser. Ich sah, dass die Verpackungen aus den USA, Europa, Australien, Kanada und Großbritannien kamen. Ich verstand, dass der Plastikmüll aus den Industrieländern ein riesiges Problem ist und wusste, dass ich aktiv werden muss.
Du hast mit deiner Schwester die Organisation River Warrior gegründet. Was macht ihr da genau?
In unserer Organisation setzen sich Schüler und Studenten dafür ein, das Plastik-Müllproblem im Brantas zu bekämpfen. Mit Kampagnen und Schulbesuchen machen wir auf das drastische Müllproblem aufmerksam: Wir führen in Ausstellungen das Ausmaß der Vermüllung vor Augen, organisieren Diskussionsrunden und Müllsammelaktionen am Strand. Wir pflanzen auch Bäume, setzen uns für ein Verbot von Einwegplastik ein und fordern, dass kein Plastikmüll mehr nach Indonesien verschifft wird.
Inwiefern beeinflusst diese ökologische Katastrophe den Alltag deiner Landsleute?
Der Müll verschmutzt die Flüsse mit Mikroplastik. Es befindet sich un unserem Trinkwasser und in den Fischen, die wir essen. Plastikabfall vergiftet neben unserer Nahrung auch die Luft. Beispielsweise importieren Papierfabriken Plastikmüll aus Industrieländern, dem auch Plastikabfall beigemischt ist. Der Kunststoff landet auf illegalen Müllhalden und wird in Dörfern nahe der Fabriken verbrannt. Dabei werden gefährliche Chemikalien frei. Auch Tofuhersteller verbrennen importierte Abfälle, um Energie für die Produktion zu gewinnen.
Was gibt dir Hoffnung im Kampf für Klimagerechtigkeit?
Es liegt an uns Kindern und Jugendlichen, unsere Stimme zu erheben, um etwas zu verändern. Immer mehr Erwachsene nehmen unsere Stimmen auch wahr, das stimmt mich hoffnungsvoll. Ebenso wie mein Glaube, dass Gott unsere Mühen belohnen wird, wenn wir mit guten Absichten und Leidenschaft auf unsere Ziele hinarbeiten.

Fatou Jeng schaffte es 2022 auf die Liste der 100 einflussreichsten AfrikanerInnen; 2021 zählte sie zu den Top 100 Young African Conservation Leaders.
FATOU JENG, GAMBIA
Klimagerechtigkeit geht Hand in Hand mit Gendergerechtigkeit – davon ist Fatou Jeng überzeugt. Die 26-Jährige hat 2017 in ihrem Heimatland Gambia die Organisation Clean Earth Gambia gegründet und setzt sich neben Naturschutz und Geschlechtergerechtigkeit auch für Umwelterziehung an Schulen ein. Darüber hinaus hat Fatou Jeng mit ihrem Team seit 2020 über 10000 Kokosnuss- und Baobab-Bäume entlang der Küste der gambischen Hauptstadt Banjul gepflanzt. Am Weltumwelttag organisierte sie gemeinsam mit UNICEF Gambia die größte Strandsäuberungsaktion mit über 100 Freiwilligen, um den Strand von Banjul zu säubern. Die Klimaaktivistin ist politische Leiterin der Abteilung für Frauen und Gender der Jugendvertretung der UN-Klimarahmenkonvention (YOUNGO) und hat vor Kurzem ein Stipendium ausgeschrieben, in dem Ökofeministinnen ausgebildet werden.
Spielt Glaube eine wichtige Rolle in Ihrem Einsatz?
Ja, Glaube und Religion spielen für mich eine sehr wichtige Rolle. Der Islam predigt gegen die Zerstörung der Umwelt und betont nachdrücklich die Notwendigkeit ökologischer Nachhaltigkeit und eines Lebens in Harmonie mit der Natur. Darüber hinaus befürwortet meine Religion auch das Pflanzen von Bäumen als eine der guten Taten, die der Mensch auf Erden tun sollte. Die Arbeit, die ich als Aktivistin verfolge, um die Klimakrise durch gemeinschaftsbasierte Maßnahmen zu bekämpfen, dient also dem Schutz meiner Gemeinschaft und ist auch eine Erfüllung religiöser Pflichten.
Inwiefern spiegelt der Klimawandel die Gender-Ungerechtigkeit wider?
Frauen und Mädchen im globalen Süden sind weiterhin unverhältnismäßig stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Sie sehen sich ohnehin schon einer Reihe großer Herausforderungen konfrontiert, zu denen soziokulturelle Barrieren, Armut und mangelnder Zugang zu Ressourcen gehören. Die Geschlechter-Ungleichheit schafft zusätzliche Belastungen für Frauen und Mädchen in Zeiten klimabedingter Krisen: Sie werden oft vertrieben, sind Opfer von Gewalt und brechen die Schule ab, um als Kinderbräute zu dienen.
Sie haben die Organisation Clean Earth Gambia gegründet. Worum geht es da genau?
Clean Earth Gambia ist eine von Jugendlichen geführte Nichtregierungsorganisation, die sich auf freiwilliger Basis für Klimagerechtigkeit, Geschlechtergleichstellung und ökologische Nachhaltigkeit einsetzt. Wir bilden beispielsweise Schüler als Umweltbotschafter auszubilden, da Umwelterziehung nicht im Lehrplan enthalten ist. In unseren Schulungen haben bereits mehr als 700 Schüler gelernt, wie sie die Umwelt schützen und Bäume pflanzen können. Wir haben Partnerschaften mit lokalen und zivilgesellschaftlichen Organisationen in Gambia, der Regierung von Gambia und UN-Organisationen aufgebaut, um Programme für unsere Gemeinden umzusetzen. Vor kurzem haben wir das erste She-Climate Fellowship in Gambia ins Leben gerufen, das darauf abzielt, in den nächsten zehn Jahren 1000 junge Ökofeministinnen in Gambia auszubilden, um die Geschlechterlücke bei der Gestaltung von Klimaaktionsplänen zu schließen.
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