Mitten im Leben: Der Inder Roshy Robert arbeitet als Missionar in Ghana. Er schätzt die Lebendigkeit der afrikanischen Kirche und liebt die Arbeit mit Kindern. |
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Missionskurs
Von den Kleinsten lernen
In einem Kurs in Brüssel lernen junge Missionare aus aller Welt voneinander. Für viele ist es die erste interkulturelle Erfahrung.
„Nichts hat mich auf meinen Dienst in Afrika vorbereitet“, sagt Gianfrancesco Sisto. Er wollte sofort durchstarten: den Menschen helfen, ihnen von Gott erzählen, viele sinnvolle Dinge tun. Aber es kam anders. Kulturschock, Sprachprobleme und das Gefühl, die Menschen vor Ort und ihr Handeln nicht zu verstehen, ließen den jungen Mann an seiner Mission zweifeln. „Ich hatte alle Leidenschaft mitgebracht, ein Missionar für Christus zu sein, aber sie hat mich nicht vor den Momenten bewahrt, in denen mir alles zu viel wurde“, erinnert sich der 49-Jährige.
Heute, um 16 Jahre Missions-Erfahrung und viele Gespräche mit Mitbrüdern aus aller Welt reicher, weiß der Franziskaner, worauf es ankommt. Seit 2000 leitet er ein besonderes Programm in der Brüsseler Gemeinschaft „Notre-Dame des Nati- ons“, im Frühjahr in französischer, im Herbst in englischer Sprache, jeweils 90 Tage lang. Adressaten sind Franziskaner, Kapuziner und Minoriten. Seit dem Start haben 300 Missionare teilgenommen. Ziel für die jungen Männer ist es, gut vorbereitet an ihre Einsatzorte zu gehen. Die Älteren möchten ihre Erfahrungen weitergeben, sich von der Energie der Jüngeren mitreißen lassen und Zeit für Regeneration finden.
Der Standort Brüssel bietet neben praktischen Vorteilen – es gibt viel Platz im Kloster – die Nachbarschaft zu den europäischen Institutionen, die die Teilnehmer besuchen. Bedeutende christliche Orte wie Aachen und Köln sind nicht allzu weit entfernt. Die Franziskaner nutzen auch die Chance eines Aufenthaltes in Assisi, dem Heimatort ihres Gründers. Viele von ihnen werden später kaum Gelegenheit dazu haben.
Sich dem Fremden aussetzen
Die Teilnehmer kommen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Europa. Den klassischen Nord-Süd-Einsatz gibt es zwar immer noch. Aber überwiegend stammen die Missionare heute aus südlichen Ländern und werden auch dort eingesetzt. „Das interkulturelle Zusammenleben hier in Brüssel ist eine tolle Übung für uns“, sagt Innocent Rutayisire. Wie schmeckt das indische Essen? Welche kulturellen Besonderheiten gibt es auf den Philippinen? Ist die Rolle eines Priesters in Andra Pradesh anders als in Burundi? Wie kann ich das franziskanische Charisma auf einer Leprastation leben? Über all das tauschen sich die Teilnehmer aus, beim Essen in lockerer Runde, auf Ausflügen, beim Einsatz in einer Suppenküche.
Sie erzählen von ihren Ängsten und Erfahrungen, kommen manchem Vorurteil auf die Schliche und lachen über Missverständnisse. „Wenn du nur deine eigene Sicht einsetzt, um andere zu verstehen, wirst du scheitern“, prophezeit Gianfrancesco Sisto. „Erst wenn man den Code der fremden Kultur knackt, bekommt man ein Verständnis für die Realität der anderen Menschen. Als Missionar muss man diese Anstrengung unternehmen, ansonsten wird man wieder zum Kolonialherren für die Menschen, denen man dienen soll.“
Erfahrungsaustausch und gegensei-tige Bestärkung sind Kernpunkte des Kurses. Außerdem stehen Referenten zur Verfügung, die zu Themen wie „Mission und die Begegnung mit dem Islam“, „Afrika: Religionen, Kulturen und Tradition“ oder „franziskanische Missionstheologie“ sprechen. Die Vielfalt der Kulturen spiegeln die „bunten Abende“ wider, die jeweils wöchentlich ein Teilnehmer für die anderen ausrichtet. Auch in der Liturgie der Morgenmesse wird der Reichtum der Weltkirche deutlich. Jeder bringt Texte und Gesänge aus seinem Land ein.
Ausrichten aber möchten sich alle an einem Vorbild: Franz von Assisi. Er hat ein Missionsverständnis geprägt, das noch heute aktuell ist. Als sich Tausende vom Geist der Kreuzzügler anstecken ließen, ihren Glauben mit dem Schwert zu verteidigen, freundete er sich mit dem Sultan von Ägypten an, der ihn herzlich aufnahm. In ihm erkennt er einen gottesfürchtigen Mann. Mission heißt für Franz: hingehen, um zu lernen; die Welt aus der Position des Letzten und Kleinsten aus sehen. Und dann mit dem eigenen Leben predigen.
Von Eva-Maria Werner
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