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Die ver­schwie­ge­nen Jün­ge­rin­nen

Frau­en spiel­ten bei den frühen Chris­ten ei­ne be­deu­ten­de Rol­le. Es gab Apo­s­te­l­in­nen, Dia­kon­in­nen, Mis­sio­na­rin­nen.
Frau­en lei­te­ten Ge­mein­den und ver­kün­de­ten die Fro­he Bot­schaft. Warum sind die­se Frau­en so we­nig be­kannt,
wur­den ab­ge­wer­tet oder zu Män­nern ge­macht? Ei­ne Spu­ren­su­che.

Text: Bea­trix Gram­lich
Fo­tos: Liszt Col­lec­ti­on/pi­tu­re al­li­an­ce


Ken­nen Sie Ly­dia: Pur­pur­händ­le­rin, Ge­schäfts­frau und „Got­tes­fürch­ti­ge“? Oder Phö­be, die den Rö­mer­brief über­bringt? Was sagt Ih­nen die Apo­s­te­lin Ju­nia? Frau­en füh­ren in der Bi­bel ein Schat­ten­da­sein. Die meis­ten blei­ben na­men­los. Da­bei be­g­lei­ten sie Je­sus von An­fang an.
Als Je­sus ge­k­reu­zigt wird, sind die Jün­ger ge­f­lo­hen. Die Frau­en ste­hen ihm bei – wenn auch nur „von Wei­tem“, weil die Hin­rich­tungs­stät­te ab­ge­sperrt ist. Un­ter ih­nen sind „Ma­ria aus Mag­da­la, Ma­ria, die Mut­ter von Ja­ko­bus dem Klei­nen und Jo­ses, so­wie Sa­lo­me; ... Noch vie­le an­de­re Frau­en wa­ren da­bei, die mit ihm nach Je­ru­sa­lem hin­auf­ge­zo­gen wa­ren“, heißt es im Mar­ku­sevan­ge­li­um (15, 40-41), dem äl­tes­ten der Evan­ge­li­en. Im­mer wie­der be­tont Mar­kus, dass es vor al­lem die Frau­en sind, die um­set­zen, was Je­sus als Nach­fol­ge for­dert: zu die­nen.
In den jün­ge­ren Evan­ge­li­en än­dert sich das: Die Frau­en wer­den we­ni­ger, ins Zen­trum rü­cken die Apos­tel. „Die Zwölf be­g­lei­te­ten ihn und auch ei­ni­ge Frau­en, die von bö­sen Geis­tern und von Krank­hei­ten ge­heilt wor­den wa­ren“, be­rich­tet der Evan­ge­list Lu­kas (8,2). Ei­ne von ih­nen ist Jo­h­an­na. Sie stammt aus der Hof­ge­sell­schaft, ihr Mann, Chu­za, ist ein ho­her Beam­ter von Kö­n­ig He­ro­des. Jo­h­an­na ver­lässt ihn, um Je­sus zu fol­gen – ein Skan­dal zur da­ma­li­gen Zeit! Sie bringt Ver­mö­gen mit und un­ter­stützt da­mit die neue Be­we­gung. Verpf­le­gung, Räu­me wie für das letz­te Abend­mahl, das in ei­nem Stück ge­web­te Ge­wand Je­su wer­den ihr zu­ge­schrie­ben. Jo­h­an­na ist auch ei­ne der Frau­en, die am Os­ter­mor­gen ans Gr­ab ge­hen. Ly­dia (Apg 16,14) hin­ge­gen taucht nur ein ein­zi­ges Mal in der Bi­bel auf: Als Pau­lus nach Phi­l­ip­pi kommt, drängt sie ihn, bei ihr zu woh­nen. Was er ver­kün­det, über­zeugt sie. Die Jü­din lässt sich und ihr gan­zes Haus tau­fen. Wahr­schein­lich wird es bald zum Treff­punkt der Chris­ten­ge­mein­de, in der sie als selbst­be­wuss­te Gast­ge­be­rin und Erst­be­kehr­te in Phi­l­ip­pi ei­ne Füh­rungs­rol­le über­nimmt.

Phö­be: Dia­konin oder Die­ne­rin?
Auch Phö­be ist ei­ne der Frau­en mit be­son­de­rer Stel­lung. Pau­lus be­auf­tragt sie, den Rö­mer­brief zu über­brin­gen (Röm 16,1). Da­mit ist sie weit mehr als ei­ne Brief­trä­ge­rin. „Wer in der An­ti­ke ei­nen Brief bringt, der liest ihn vor, der kann ihn aus­le­gen. Phö­be hat­te auf je­den Fall ei­ne lei­ten­de Funk­ti­on“, sagt Ka­trin Brock­möl­ler, 49, Bi­bel­wis­sen­schaft­le­rin und ge­schäfts­füh­r­en­de Di­rek­to­rin des Bi­bel­werks. Der grie­chi­sche Text nennt Phö­be „Dia­ko­no­s“, Dia­konin, und „Prostá­tis, was so viel wie Vor­ste­he­rin be­deu­tet. In der Ein­heits­über­set­zung wird sie zur „Die­ne­rin der Ge­mein­de“. „Ab­wer­ten­d“, fin­det Sa­bi­ne Bie­ber­stein, 60, Pro­fes­so­rin für Ex­e­ge­se an der Uni­ver­si­tät Eich­stätt-In­gol­stadt, und weist dar­auf hin, dass Män­ner in ähn­li­cher Stel­lung als Dia­ko­ne und Bi­sc­hö­fe be­zeich­net wur­den. „Rich­tig über­setz­t“, meint hin­ge­gen Hei­ke Grie­ser, 57, die an der Uni­ver­si­tät Mainz Kir­chen­ge­schich­te lehrt. Pau­lus ha­be kein fes­tes Amt vor Au­gen ge­habt, als er den Rö­mer­brief schrieb.
„Im ers­ten und zwei­ten Jahr­hun­dert ent­wi­ckeln sich die Äm­ter er­st“, er­klärt Brock­möl­ler. „Es gibt sie nicht übe­rall, sie hei­ßen nicht übe­rall gleich und be­deu­ten nicht im­mer das­sel­be.“ Folgt man den Kir­chen­leh­ren, über­neh­men vor al­lem Wit­wen und Jung­frau­en, Dia­kon­in­nen und Apo­s­te­l­in­nen in den frühen Chris­ten­ge­mein­den Äm­ter. Ihr Di­enst wur­de be­son­ders da ge­braucht, wo es um Frau­en ging: bei Kran­ken­be­su­chen oder der Tau­fe, die da­mals noch ei­ne Ganz­kör­per­tau­fe war. Denn die an­ti­ke Ge­sell­schaft trenn­te st­reng nach Ge­sch­lech­tern.

Ju­nia: ei­ne Apo­s­te­lin wird zum Mann
Ei­ne die­ser Apo­s­te­l­in­nen ist Ju­nia, die Frau des An­dro­ni­kus. Wie an­de­re jü­di­sche Ehe­paa­re mis­sio­nie­ren die bei­den ge­mein­sam. Pau­lus nennt sie her­aus­ra­gend un­ter den Apo­s­teln (Röm 16,7). Auch frühe Kir­chen­vä­ter sp­re­chen mit Hoch­ach­tung von ihr. „Wie groß muss die Weis­heit die­ser Frau ge­we­sen sein, dass sie für den Ti­tel Apos­tel wür­dig be­fun­den wur­de“, sch­reibt Jo­han­nes Chy­s­o­sto­mos. Im 13. Jahr­hun­dert aber wird Ju­nia plötz­lich zum männ­li­chen Ju­nias. Ein Ab­sch­rei­be­feh­ler oder be­wuss­te Um­deu­tung? „Dass ei­ne Frau ei­nen Apo­s­tel­ti­tel tra­gen könn­te, war zu die­ser Zeit nicht mehr vor­s­tell­bar“, er­klärt Bie­ber­stein. Kir­che und Ge­sell­schaft wa­ren pa­tri­ar­cha­lisch. „Spä­ter galt vi­el­leicht, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.“ Erst in der Ein­heits­über­set­zung von 2016 er­hielt Ju­nia ih­ren ur­sprüng­li­chen Na­men zu­rück – ob­wohl der Feh­ler da­mals schon Jahr­zehn­te be­kannt war.
Die Grund­la­gen da­für lie­fer­te die fe­mi­nis­ti­sche Theo­lo­gie, die seit den 1970er-Jah­ren den Blick auf die frühen Chris­tin­nen lenk­te. „Sie ver­such­te, die­se Frau­en dem Ver­ges­sen oder Ver­schwei­gen zu en­t­rei­ßen, ih­re be­son­de­ren Rol­len zu be­le­gen und zu zei­gen, wie sie un­sicht­bar ge­macht oder ab­ge­wer­tet wur­den“, er­klärt Bie­ber­stein. „Fe­mi­nis­ti­sche Theo­lo­gie war im­mer auch Be­f­rei­ungs­theo­lo­gie“, sagt Brock­möl­ler.
Als Qu­el­len die­nen ne­ben der Bi­bel re­li­giö­se Tex­te, die kei­nen Ein­gang die Hei­li­ge Schrift ge­fun­den ha­ben: so­ge­nann­te Apo­kry­phen wie das Evan­ge­li­um der Ma­ria von Mag­da­la, der Ma­ria, die Thek­la-Ak­ten, Brie­fe, Sprüche und Apo­ka­lyp­sen. Auf­schluss lie­fern auch die Leh­ren der Kir­chen­vä­ter und an­ti­ke Schrif­ten. Ju­nia durf­te nicht zu­letzt des­halb wie­der zur Frau wer­den, weil es auf Gr­ab­mä­lern, In­schrif­ten und in der ge­sam­ten an­ti­ken Li­te­ra­tur kei­nen ein­zi­gen Be­leg für den Män­ner­na­men Ju­nias gibt.
In den An­fän­gen war die Je­sus­be­we­gung ver­mut­lich ega­li­tär und da­mit an­zie­hend – vor al­lem für Grie­chin­nen, die ein freie­res Le­ben ge­wohnt wa­ren. Im Lauf der Zeit pass­te sie sich je­doch den pa­tri­ar­cha­li­schen Struk­tu­ren an, die sich auch in den spä­te­ren Evan­ge­li­en wi­der­spie­geln. Den­noch: „Wenn man an­fängt, die bib­li­schen Tex­te auf­merk­sam und kri­tisch zu le­sen, las­sen sich vie­le be­mer­kens­wer­te Frau­en ent­de­cken, die Ver­ant­wor­tung über­nah­men, Äm­ter in den Ge­mein­den aus­üb­ten, ver­kün­de­ten, or­ga­ni­sier­ten und lei­te­ten“, sagt Bie­ber­stein. „Aus bib­li­scher Per­spek­ti­ve gibt es kei­nen Grund, Frau­en heu­te von ir­gend­wel­chen Äm­tern aus­zu­sch­lie­ßen.“

Stefanie Eichler

Hei­ke Grie­ser, 57, ist Pro­fes­so­rin für Kir­chen­ge­schich­te und De­kanin der Ka­tho­lisch-Theo­lo­gi­schen Fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät Mainz.

Na­men­lo­se Frau­en in der Bi­bel und fe­mi­nis­ti­sche Theo­lo­gie: In­ter­view mit Hei­ke Grie­ser

Frau Pro­fes­sor Grie­ser, warum blei­ben vie­le Frau­en in der Bi­bel na­men­los oder wur­den wie Ju­nia zum Mann?
Na­men­los blei­ben Frau­en vor al­lem dann, wenn sie aus Sicht der männ­li­chen Au­to­ren kei­ne wich­ti­ge rol­le spie­len. Dass Ju­nia (Röm 16,7) über vie­le Jahr­hun­der­te für ei­nen Mann ge­hal­ten wur­de, hängt mit feh­len­den Ak­zen­ten bei ih­rem grie­chi­schen Na­men zu­sam­men. Oh­ne sie ist un­klar, ob es sich um ei­nen Mann oder ei­ne Frau han­delt. Die Er­war­tungs­hal­tung war: Ein Apos­tel ist selbst­ver­ständ­lich ein Mann.

Was ve­r­än­dert sich durch die fe­mi­nis­ti­sche Theo­lo­gie?
Wer aus der Per­spek­ti­ve von Frau­en forscht, hin­ter­fragt auch das ver­meint­lich Selbst­ver­ständ­li­che. Da­durch kön­nen ge­schicht­lich ge­wach­se­ne Eng­füh­run­gen auf­ge­bro­chen und neue Schät­ze aus der Tra­di­ti­on ge­ho­ben wer­den – auch um ge­gen­wär­ti­ge Fra­gen zu lö­sen.

Wo stößt sie auf Ab­wehr?
Fra­gen der fe­mi­nis­ti­schen Theo­lo­gie und die Gen­der­per­spek­ti­ve wer­den häu­fig als ein Spe­zial- oder Rand­the­ma be­trach­tet. Da­bei wei­ten sie den Ho­ri­zont und sen­si­bi­li­sie­ren für die Si­tua­ti­on von Frau­en in der Kir­che. Wenn man zeit- und kon­text­be­ding­te Ele­men­te in der Ent­wick­lung der kirch­li­chen Äm­ter er­kennt, gibt das Spiel­raum für neue Ent­schei­dun­gen, die dem Le­ben von Män­nern und Frau­en heu­te an­ge­mes­sen sind.

In­ter­view: Bea­trix Gram­lich

Zu­rück zur Nach­rich­ten­über­sicht No­vem­ber/De­zem­ber 2022




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