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Florian Kopp

Wie­so Na­tur­schutz nur mit in­di­ge­nen Völ­kern ge­lingt

In­di­ge­ne Völ­ker ver­fü­gen über jahr­hun­der­teal­tes Wis­sen, mit dem sie sen­si­b­le und ar­ten­rei­che Na­tur­räu­me schüt­zen. Die­se sind ih­re Hei­mat und Le­bens­grund­la­ge. Vie­le Stu­di­en zei­gen, dass nach­hal­ti­ger Na­tur­schutz nur mög­lich ist,
wenn man die Rech­te von In­di­ge­nen stärkt.

Der­zeit fin­det das größ­te Ar­tens­ter­ben seit dem Ver­schwin­den der Di­no­sau­ri­er statt. Täg­lich ver­liert die Er­de 150 Pflan­zen- und Tier­ar­ten – un­wie­der­bring­lich. Da klingt die Nach­richt vom Bio­di­ver­si­täts­gip­fel im ka­na­di­schen Mon­t­réal erst ein­mal gut: Bis zum Jahr 2030 wol­len die Ve­r­ein­ten Na­tio­nen 30 Pro­zent der Mee­res- und Land­fläche der Er­de un­ter Schutz stel­len.

Ak­tu­ell sind le­dig­lich sie­ben Pro­zent des Lan­des und 17 Pro­zent der Ozea­ne ge­schützt. Doch wäh­rend vie­le den Be­schluss fei­ern, der nun von den Staa­ten in na­tio­na­les Ge­setz um­ge­wan­delt wer­den muss, schril­len bei Um­welt­schüt­zern und Men­schen­recht­lern die Alarm­g­lo­cken. Denn in der Ver­gan­gen­heit war die Aus­wei­sung von Na­tur­schutz­ge­bie­ten oft mit der Ver­t­rei­bung der dort le­ben­den Men­schen ver­bun­den. Vie­le afri­ka­ni­sche Na­tio­nal­parks sind so ent­stan­den. Als der Kru­ger-Na­tio­nal­park in Süd­a­fri­ka 1926 ein­ge­rich­tet wur­de, zä­un­te die Re­gie­rung ihn ein und ver­bot al­len Nicht-Wei­ßen, den Park zu be­t­re­ten. Und bis in die jüngs­te Zeit hin­ein han­deln Re­gie­run­gen nach dem Prin­zip des so­ge­nann­ten „Fes­tungs­na­tur­schut­z“: Men­schen raus, da­mit sich die Na­tur er­ho­len kann. In Tan­sa­nia et­wa sorg­ten im ver­gan­ge­nen Som­mer Plä­ne für Kri­tik, wo­nach das Wild­schutz­ge­biet Lo­li­on­do aus­ge­wei­tet wer­den soll. Es droht die Ver­t­rei­bung von bis zu 70 000 Mas­sai. Und auch im Ng­o­ron­g­o­ro-Na­tio­nal­park wird im Na­men des Na­tur­schut­zes Druck auf die Mas­sai aus­ge­übt, die tra­di­tio­nell auf und mit die­sem Land le­ben. Welt­weit könn­ten bis zu 300 Mil­lio­nen Men­schen dar­un­ter lei­den, wenn neue Schutz­ge­bie­te aus­ge­wie­sen wer­den. Da­bei zei­gen Stu­di­en, dass sich das Ar­tens­ter­ben in den ver­gan­ge­nen Jah­ren trotz der Aus­wei­tung von Schutz­ge­bie­ten ver­stärkt hat. Be­son­ders gut geht es der Na­tur hin­ge­gen in Re­gio­nen, wo in­di­ge­ne Völ­ker le­ben.

Die Rech­te der In­di­ge­nen stär­ken
Die Ge­bie­te der et­wa 476 Mil­lio­nen In­di­ge­nen ge­hö­ren zu den ar­ten­reichs­ten der Er­de. Völ­ker wie die Sa­ra­ya­ku in Ecua­dor le­ben seit Jahr­hun­der­ten im Ein­klang mit der Na­tur. Sie ja­gen mit dem Blas­rohr (Fo­to oben) und neh­men nur das aus ih­rer Um­welt, was sie wir­k­lich zum Le­ben brau­chen. Weil sie ihr Ter­ri­to­ri­um gut ken­nen und vor Ort sind, be­wah­ren sie es vor il­le­ga­lem Holz­ein­schlag und Brän­den. Wäh­rend in den ver­gan­ge­nen Jah­ren Brän­de im Ama­zo­nas zu­ge­nom­men ha­ben, blie­ben die von In­di­ge­nen be­wohn­ten Ge­bie­te weit­ge­hend ver­schont, wie Sa­tel­li­ten­bil­der zei­gen. Um in Zu­kunft Na­tur­schutz zu be­t­rei­ben, oh­ne da­bei Men­schen­rech­te zu ver­let­zen, ist es not­wen­dig, die Rech­te der In­di­ge­nen auf Land, Re­li­gi­ons­f­rei­heit und Mit­be­stim­mung zu stär­ken. Die­se For­de­rung brin­gen In­di­ge­ne, Nicht­re­gie­rung­s­or­ga­ni­sa­tio­nen und kirch­li­che Akteu­re in die Dis­kus­si­on um Na­tur­schutz ein. Frank Schwa­be, der Be­auf­trag­te der Bun­des­re­gie­rung für Re­li­gi­ons- und Wel­t­an­schau­ungs­f­rei­heit, er­in­nert da­ran, dass die Ter­ri­to­ri­en fest mit der re­li­giö­sen Vor­stel­lung In­di­ge­ner ver­bun­den sind. Die Fach­s­tel­le der ka­tho­li­schen Kir­che für In­di­ge­nen­fra­gen in Bra­si­li­en, Ci­mi, kri­ti­siert, dass die An­er­ken­nung in­di­ge­ner Ge­bie­te, die 1988 be­sch­los­sen und inn­er­halb von fünf Jah­ren um­ge­setzt wer­den soll­te, zu gro­ßen Tei­len bis heu­te nicht er­folgt ist. Die an­ti-in­di­ge­ne Pro­pa­gan­da des ehe­ma­li­gen bra­si­lia­ni­schen Prä­si­den­ten Jair Bol­sona­ro so­wie ei­ne Ge­setz­ge­bung, die Agrar­in­du­s­trie und Lan­d­raub för­dern, ha­ben dem Ama­zo­nas­ge­biet zu­sätz­lich gro­ßen Scha­den zu­ge­fügt.
Mitt­ler­wei­le sind 20 Pro­zent der „grü­nen Lun­ge der Er­de“ zer­stört. Um die rest­li­chen in­tak­ten und we­nig ge­schä­d­ig­ten Ge­bie­te im Ama­zo­nas zu schüt­zen, blei­be nur ein Zei­traum von we­ni­gen Jah­ren. Zu die­sem Er­geb­nis kommt der Be­richt „Ama­zo­ni­en im Kampf ge­gen die Uhr“ des wis­sen­schaft­li­chen Netz­werks RAISG, der auf ei­ner on­li­ne-Fach­kon­fe­renz der In­fo­s­tel­le Pe­ru und des Kli­ma-Bünd­nis­ses vor­ge­s­tellt wur­de. Bis 2025 müs­se es ge­lin­gen, die ver­b­lei­ben­den 80 Pro­zent un­ter Schutz zu stel­len, heißt es da­rin. Auch RAISG pro­pa­giert als Lö­sung: Die 255 Mil­lio­nen Hektar Ama­zo­nas-Re­gen­wald, die bis­her noch nicht als in­di­ge­ne oder Schutz­ge­bie­te aus­ge­wie­sen sind, so­bald wie mög­lich als sol­che ka­te­go­ri­sie­ren. Nur dann kann man de­nen Ein­halt ge­bie­ten, die die­se Ge­bie­te wirt­schaft­lich aus­beu­ten wol­len. Ar­ten­viel­falt, Kul­tur, in­di­ge­ne Spra­chen und vie­le so­ge­nann­te Öko­sys­tem­leis­tun­gen – wie Her­stel­lung von Sau­er­stoff oder Be­stäu­bung von Pflan­zen – könn­ten so er­hal­ten wer­den.

Re­gen­wäl­der und Ko­ral­len­rif­fe ge­hen uns al­le an
Wie kann die Welt­ge­mein­schaft ein Land, das die Na­tur schützt und da­durch auf Pro­fit ver­zich­tet, fi­nan­zi­ell ent­schä­d­i­gen? Die Mis­si­ons­ärzt­li­che Schwes­ter Bir­git Wei­ler, die seit Jah­ren in Pe­ru lebt, sieht auch die Kir­che in der Pf­licht. Es sei ih­re Auf­ga­be, ei­ne „Koa­li­ti­on zwi- schen der glo­ba­len Zi­vil­ge­sell­schaft und den in­di­ge­nen Völ­kern Ama­zo­ni­en­s“ zu sch­mie­den, sag­te sie auf ei­nem Po­di­um beim Ka­tho­li­ken­tag in Stutt­gart. „Als Glo­bal Play­er kann die Kir­che ein Be­wusst­sein da­für schaf­fen, dass Ama­zo­ni­en uns al­le an­geht.“ Und nicht nur Ama­zo­ni­en: Auch die südo­s­ta­sia­ti­schen und afri­ka­ni­schen Re­gen­wäl­der, die Pi­ni­en­wäl­der des Hi­ma­la­ya oder die Ko­ral­len­rif­fe Aus­tra­li­ens sind Re­gio­nen von gro­ßer Ar­ten­viel­falt. Trotz ih­rer dro­hen­den Zer­stör­ung gibt es Hoff­nung.

Ge­heu­chel­te Für­sor­ge
Or­ga­ni­sa­tio­nen wie „Stop Eco­ci­de“ aus Großbri­tan­ni­en kämp­fen da­für, Um­welt­zer­stör­ung zum Ge­gen­stand in­ter­na­tio­na­len Straf­rechts zu ma­chen. Papst Fran­zis­kus trägt das An­lie­gen mit. 2019 sprach er von Öko­zi­den als „Ver­b­re­chen ge­gen den Frie­den“. An­de­re In­i­tia­ti­ven for­dern, den Ama­zo­nas­län­dern ih­re Aus­lands­schul­den zu er­las­sen, wenn die­se sich im Ge­gen­zug verpf­lich­ten, 80 Pro­zent des Re­gen­wal­des zu schüt­zen. Die Na­tur kann sich er­ho­len, wenn man sie in Ru­he lässt. Sch­ließ­lich: So deut­lich wie auf der Kon­fe­renz in Mon­t­réal ha­ben sich die Staa­ten noch nie zum Na­tur­schutz be­kannt. Sie ha­ben da­bei die Stim­men der In­di­ge­nen ge­hört. Das be­stä­tigt die Um­wel­t­ak­ti­vis­tin Hin­dou Ouma­rou Ibra­him aus dem Tschad, die in Ka­na­da da­bei war: „Al­les, was wir dr­in­ha­ben woll­ten, steht im Ver­trag­sent- wurf. Die Welt braucht uns.“
Sha­piom No­nin­go Se­sen ist skep­ti­scher. Der Se­k­re­tär der au­to­no­men Ter­ri­to­rial­re­gie­rung des Vol­kes der Wam­pi in Pe­ru sagt: „Auf rhe­to­ri­scher Ebe­ne sind die Ve­r­ein­ba­run­gen von Mon­t­réal wert­voll. Aber die Ge­schich­te lehrt uns, dass die Län­der die Ab­kom­men oft nicht um­set­zen und ih­re Roh­stoff­pro­jek­te wei­ter ver­fol­gen. Das ist Heu­che­lei. Die nörd­li­chen Län­der müs­sen auf­hö­ren, die Zer­stör­ung der Na­tur zu fi­nan­zie­ren und koh­len­stoff­hal­ti­ge Brenn­stof­fe zu ver­wen­den. Sie sol­len die Au­to­no­mie in­di­ge­ner Völ­ker an­er­ken­nen und da­mit den Na­tur­schutz stär­ken.“ Die Zu­kunft wird zei­gen, ob den Wor­ten von Mon­t­réal Ta­ten fol­gen.

Text: Eva-Ma­ria Wer­ner
Fo­to: Flo­ri­an Kopp

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