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Iden­ti­tät: ei­ne Fra­ge der Wahr­neh­mung

Was macht Iden­ti­tät aus?

In Be­ruf, Fa­mi­lie und Frei­zeit neh­men wir un­ter­schied­li­che Rol­len ein, blei­ben aber die­sel­be Per­son. Die So­zio­lo­gie spricht in die­sem Zu­sam­men­hang von der Iden­ti­tät, ein Be­griff, der die vie­len Sei­ten ei­ner Per­son ab­bil­den soll. Doch was macht Iden­ti­tät aus?


Rol­len­spiel
Ich, das ist das Selbst, von dem je­der denkt, es bleibt wie es ist. Im Lauf ei­nes Le­bens ve­r­än­dert es sich aber. Ana­s­ta­sia* war bis Fe­bruar Ärz­tin in Char­kiw. Dann kam der Krieg. An­fang März ge­lang ihr mit ih­rer elf­jäh­ri­gen Toch­ter die Flucht nach Deut­sch­land. Ihr Mann blieb in der Ukrai­ne, um zu kämp­fen. Ana­s­ta­sia hat ih­re Hei­mat ver­las­sen und da­mit auch ih­re ver­trau­te Um­ge­bung, ih­re Fa­mi­lie, Freun­de und Ar­beits­kol­le­gen, mit de­nen sie Wer­te teilt, die­sel­be Spra­che spricht. Vie­les, was ih­re Iden­ti­tät präg­te, muss­te sie zu­rücklas­sen. Mit ih­rer Flucht ge­rät sie in ei­ne frem­de Welt, in der sie an­ders wahr­ge­nom­men wird: Hier ist sie nicht mehr die er­folg­rei­che, ver­hei­ra­te­te Ärz­tin mit Kind, son­dern die ge­flüch­te­te Mut­ter.
Sie ist die­sel­be ge­b­lie­ben, aber für Frem­de ist sie ei­ne an­de­re Per­son. Sie se­hen nicht in ers­ter Li­nie ih­re In­ter­es­sen und Fähig­kei­ten, son­dern ei­ne Ge­flüch­te­te in ihr. Ana­s­ta­sia ist sich des­sen be­wusst. Na­tür­lich wird die Flucht auch ih­re Selbst­wahr­neh­mung prä­gen. Sie muss ei­ne ein­schnei­den­de Zä­sur ver­kraf­ten, ih­re Iden­ti­tät wird sich ve­r­än­dern – was nor­ma­ler­wei­se au­to­ma­tisch pas­siert, wenn ein neu­er Le­bens­ab­schnitt be­ginnt. Nur dass in Frie­dens­zei­ten der Be­griff „neu­er Le­bens­ab­schnit­t“ für Hoff­nung sorgt: wenn et­wa Paa­re hei­ra­ten oder jun­ge Men­schen ins Be­rufs­le­ben star­ten. An­ders ist das in der Rol­le als Flücht­ling, die Ana­s­ta­sia be­las­tet und mit Sor­ge in die Zu­kunft bli­cken lässt.

Grup­pen­dy­na­mik
Wir, das be­deu­tet Ge­mein­schaft, ein Zu­ge­hö­rig­keits­ge­fühl, das Men­schen mit­ein­an­der ver­bin­det. Die christ­li­che Iden­ti­tät ist ein Bei­spiel für ein sol­ches Wir-Ge­fühl. Wie ist das in ei­ner stark im Hin­du­is­mus ver­wur­zel­ten Ge­sell­schaft wie in In­di­en aus­ge­prägt? Nur 2,3 Pro­zent der Be­völ­ke­rung sind dort Chris­ten. „Wir sind ei­ne Min­der­heit, aber wir füh­len uns nicht klein. Denn wir se­hen, dass die Kir­che ih­ren Bei­trag leis­tet, der da­rin be­steht, mit Lie­be zu die­nen und die Ar­men und Un­ter­drück­ten zu un­ter­stüt­zen“, sagt Ba­bi­ta Pin­to, Pro­gramm­lei­te­rin bei Ca­ri­tas In­di­en. Für sie be­deu­tet Christ­sein „in Frie­den und Har­mo­nie mit den Mit­men­schen zu le­ben und Wer­te wie Hoff­nung, Lie­be, Ge­duld und De­mut zu ver­mit­teln“. Die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit der ei­ge­nen Glau­bens­grup­pe fin­det al­so über fes­te Wer­te statt. Das ver­mit­telt Be­stän­dig­keit im Ge­gen­satz zum eher schwan­ken­den Ich-Ge­fühl.
„Das Christ­sein in ei­ner plu­ra­lis­ti­schen Ge­sell­schaft ist heu­te ei­ne gro­ße Her­aus­for­de­rung“, sagt Pa­ter Jo­seph Put­hoor aus Ke­ra­la, der im Bis­tum Müns­ter lebt. „Es gibt uns aber die Mög­lich­keit, un­se­ren Nächs­ten oh­ne Rück­sicht auf Kas­te, Glau­be oder Re­li­gi­on zu lie­ben.“
Die­ser An­satz stellt in In­di­en, wo ei­ne st­ren­ge ge­sell­schaft­li­che Ran­g­ord­nung das Den­ken be­stimmt, ei­ne Chan­ce dar. In­dem Da­lits, Men­schen der un­te­ren Kas­te, dem Chris­ten­tum bei­t­re­ten, kön­nen sie ein neu­es Wir-Ge­fühl er­le­ben, was sich im bes­ten Fall auch auf ihr ge­sell­schaft­li­ches An­se­hen aus­wirkt. Der Pries­ter Aja­ya Ku­mar Singh aus Odi­sha, selbst Da­lit, sagt aber: „Die Kas­ten­prak­ti­ken wer­den so lan­ge fort­be­ste­hen, wie die obe­re Kas­te wei­ter­hin die Füh­rung hat. Die Er­war­tung ei­nes ech­ten so­zia­len Wan­dels bleibt ein fer­ner Traum.“

Kon­f­likt­po­ten­zial
Ihr, das sind im­mer die an­de­ren. Die, zu de­nen wir nicht ge­hö­ren kön­nen oder wol­len. Die, mit de­nen wir nichts zu tun ha­ben – zu­min­dest auf den ers­ten Blick. In­dem wir die an­de­ren als ei­ne Grup­pe wahr­neh­men, sagt das auch et­was über uns selbst aus: Wir gren­zen uns von dem „Ih­r“ ab. Und manch­mal lau­fen wir Ge­fahr, die an­de­ren als et­was ab­zus­tem­peln, das sie gar nicht sind. So ent­ste­hen Miss­ver­ständ­nis­se und Kon­f­lik­te, nicht nur im Pri­va­ten, son­dern auch im po­li­ti­schen Kon­text. Ein Bei­spiel ist der Völ­ker­mord in Ru­an­da. Dort leb­ten Jahr­hun­der­te lang die Be­völ­ke­rungs­grup­pen Hu­tu und Tut­si fried­lich zu­sam­men, teil­ten Tra­di­tio­nen, Re­li­gi­on und Spra­che. Durch die Ko­lo­nia­li­sie­rung än­der­te sich das. Die deut­schen Ko­lo­nial­her­ren be­vor­zug­ten die do­mi­nie­ren­den, Vieh­zucht be­t­rei­ben­den Tut­si und un­ter­drück­ten die acker­bau­lich tä­ti­gen Hu­tu. Die­se Hier­ar­chie be­grün­de­ten die Ko­lo­nial­her­ren mit der ver­meint­li­chen ras­si­schen Über­le­gen­heit der Tut­si. Nach dem Ers­ten Welt­krieg ging die Ko­lo­nie an Bel­gi­en über. Die neu­en Ko­lo­nial­her­ren führ­ten Päs­se ein, die den Ru­an­dern ih­re an­geb­lich eth­ni­sche Iden­ti­tät Schwarz auf Weiß be­schei­nig­ten. Da­mit ver­schärf­ten sie die ge­sell­schaft­li­chen Span­nun­gen, die sich im Hu­tu-Auf­stand und letzt­lich im Ge­no­zid der Tut­si 1994 ent­lu­den.

*fik­ti­ves Bei­spiel

Text: Pia Schei­bl­hu­ber

Zu­rück zur Nach­rich­ten­über­sicht Ju­li/Au­gust 2022




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