
Julia Steinbrecht/KNA |
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Meine Mission
Schwester Thekla Baumgart, die Winzerin von St. Hildegard
Schwester Thekla Baumgart, 58, leitet seit 1998 das Klosterweingut der Benediktinerinnenabtei St. Hildegard in Eibingen.
In den Beruf der Winzerin bin ich einfach reingerutscht. Das ist oft so, wenn man im Kloster anfängt: Da lernt man völlig neue, unerwartete Fähigkeiten an sich kennen. Ich bin gelernte Gemeindereferentin; als ich 1991 in die Abtei St. Hildegard eintrat, kam ich aber in ganz andere Bereiche: in die Hausmeisterei und den Weinkeller. Ich habe alles durch Mitmachen gelernt. Vom Winzern hatte ich keine Ahnung, ich habe nicht mal Wein getrunken! Die Arbeit im Team mit unserem Winzermeister und vier Mitschwestern hat mir aber von Anfang an gefallen. Als eine neue Leitung für das Klosterweingut gesucht wurde, hat man mich gefragt. Ich habe mich erstmal mit Händen und Füßen dagegen gesträubt! Aber Mutter Edeltraud meinte: „Ach, das schaffen Sie schon, machen Sie mal!“
Seitdem hat sich vieles verändert: Wir haben Arbeitsschritte optimiert, lesen mit dem Vollernter und müssen auf die Klimaveränderungen reagieren. Wir säen Begrünung zwischen den Rebzeilen ein, die für Nützlinge sinnvoll ist, den Boden lockert und Humus aufbaut. So verhindern wir, dass der Boden durch Erosion weggespült wird. Vor allem aber hat sich für mich persönlich einiges geändert. Zu Beginn war ich viel draußen in den Weinbergen. Jetzt arbeite ich mehr im Marketing und im Verkauf in unserer Vinothek. Für die Weinproduktion sind nun der Winzermeister und zwei Saisonkräfte zuständig. Mitschwestern helfen beim Verkauf und bei Stoßaktionen, wenn wir zum Beispiel den Wein abfüllen.
Mein Herz hängt an der Arbeit draußen in der Natur. Vor allem im Frühjahr ist es toll zu sehen, wenn die ersten Knospen kommen und alles auf einmal explodiert: Wie schnell alles grün wird! Ich erlebe jedes Jahr aufs Neue, wie sehr die Ernte vom Wetter abhängt. Das ist ein Faktor, der sich nicht planen lässt. Ob ein Wein gut wird, liegt letztlich nicht in unserer Hand. Wir können zwar dazu beitragen, aber Gott muss auch mitmachen, damit etwas Gutes rauskommt. Ich finde, das ist eine wichtige Erfahrung, weil wir in einer Welt leben, in der alles machbar erscheint. Da tut es auch mal gut, einen Teil der Arbeit dem Unberechenbaren zu überlassen. Nur so können wir uns erden und das, was wir tun, relativieren. Wir sind nicht die Könige der Welt, dürfen aber mitgestalten, das finde ich schön. Das macht Spaß und ist immer wieder eine Herausforderung, die Nerven kostet, aber auch die Kreativität fördert.
Inzwischen trinke ich auch Wein, das gehört zum Geschäft dazu. Was ich immer wieder bemerke ist, dass bei Verkostungen Fragen rund um den Wein irgendwann in Lebensfragen münden. Wein ist für mich daher ein Medium, das Menschen verbindet – aber nicht nur bei Weinproben: Wenn Winzerkollegen sehen, dass ich mich als Schwester gut auskenne und den Beruf mit Leidenschaft mache, dann verbindet das auch. Dabei tut sich bei diesen Kollegen vielleicht eine neue Perspektive auf, indem ich zeige, dass da noch mehr ist: Glaube und Gott.
Aufgezeichnet von Pia Scheiblhuber
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