Hebamme im HabitSchwester Johanna lebt im Kloster St. Ursula in Donauwörth. Sie ist freie Hebamme
und begleitet werdende Eltern mit viel Ruhe und Zeit. Ein offenes Ohr für Schwangere
und junge Mütter zu haben, ist ihr Verständnis von Verkündigung. |
Ich bin mit 26 Jahren mitsamt meiner Hebammenpraxis ins Kloster gegangen. Es gibt so viele Sachen, die an diesem Beruf toll sind. Wer hat das schon, dass er immer Neugeborene im Arm hält! Es ist einfach schön, Frauen beim Wunder der Geburt begleiten zu dürfen. Die Beziehung zwischen Eltern und Kind zu unterstützen, das sehe ich als meinen Auftrag. Viele Frauen entscheiden sich bewusst für mich als Ordensschwester, ihnen ist es wichtig, dass sie jemand mit religiösem Hintergrund als Begleitung vor und nach der Schwangerschaft haben. Manche sind auch froh, dass ich Zeit mitbringe.
Denn das Wichtigste, was wir den Menschen schenken können, ist Zeit. Gerade auch in dieser Pandemie live und nicht über Technik. Ich merke, wie wichtig es den Frauen ist, dass jemand zuhört, auch wenn sie dreimal die Geschichte von der Geburt erzählen. Dann zur Verfügung zu stehen, das ist das Eigentliche der Verkündigung. Nicht das, was ich sage, wird wahrgenommen, sondern wie ich es mir als Ordensschwester leisten kann, meine Arbeit als Hebamme zu tun.
Ich muss nicht auf die Uhr schauen
Ich muss nicht schon auf die Uhr schauen, bevor ich bei der Tür reingehe. Zu mir kommen auch Frauen, die nicht so glücklich schwanger sind, die sich überlegen, ob das Kind jetzt bleiben darf oder nicht. Ich versuche ganz bewusst, nicht zu bewerten oder zu verurteilen. Druck haben die Frauen genug von allen Seiten. Ich kann nur auf Hilfsmöglichkeiten hinweisen und auf psychische Spätfolgen, die eine Abtreibung häufig mit sich bringt.
Ich bete jeden Tag für alle, die mir begegnen und die mir anvertraut sind. Das ist mir ganz wichtig! Manchmal schaffe ich es nicht, pünktlich zum Essen oder zum Gebet wieder im Kloster zu sein oder habe abends zu den Gebetszeiten einen Kurs. Das tut mir leid, aber ändern kann ich’s nicht. Deswegen ist mir die Zeit in der Früh so wichtig. Da kommt selten was dazwischen. Ich arbeite nicht im Habit, aber mit Schleier. Ich habe eine weiße Kleiderschürze, die kann man heiß waschen. Gymnastikkurse gebe ich im Jogginganzug. Beim Rumturnen auf dem Boden ist der Habit echt unpraktisch!
Wir Dominikanerinnen gehören zu einem Prediger-Orden, und ich finde, meine Arbeit ist kein schlechter Verkündigungs-Dienst. Ich komme in Familien, die man sonst als Kirche gar nicht erreicht. Schwangere und Wöchnerinnen sind unglaublich sensibel. Gerade in dieser Zeit brechen viele Fragen auf, auch nach dem Glauben und der Taufe. Sobald man im Ordensgewand unterwegs ist, kann man nicht Nicht-Verkündigen. Im guten Sinne ist das immer eine Provokation: Der andere muss sich Gedanken machen.
Aufgezeichnet von Christina Brunner; Fotos: Privat
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Zur Person
Schwester Johanna M. Vogt ist 46 Jahre alt und trat vor zwanzig Jahren in den Dominikanerorden ein. Sie lebt im Kloster St. Ursula in Donauwörth. Bevor sie ins Kloster ging, erlernte sie den Beruf der Hebamme und hat heute im Kloster eine eigene Praxis. Außerdem arbeitet Schwester Johanna als Religionslehrerin und Diözesankuratin bei der Pfadfinderinnenschaft St. Georg. |
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