Foto: Paul Haring/Romano Siciliani/KNA |
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Interview mit Kardinal Miguel Ángel Ayuso Guixot
Für Mission und interreligiösen Dialog
Im Interview mit kontinente spricht Kardinal Miguel Ángel Ayuso Guixot, Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, über Mission und interreligiösen Austausch - und weshalb wir beides brauchen.
Sie sind Mitglied der Kongregation für die Evangelisierung der Völker und Präsident des Rates für Interreligiösen Dialog. Brauchen wir statt Mission oder Evangelisierung mehr interreligiösen Dialog?
Das Thema der Beziehung zwischen Evangelisierung und interreligiösem Dialog ist immer sehr aktuell. Es ist für mich nicht nur deshalb relevant, weil ich Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog und Mitglied der Kongregation für die Evangelisierung der Völker bin, sondern auch, weil ich als Comboni-Missionar mehrere Jahre in der Mission gearbeitet habe.
Mission und Dialog stehen nicht im Widerspruch zueinander und die Kirche hat die grundlegende Aufgabe, beide Elemente im Rahmen ihrer Mission gegenüber Menschen anderer religiöser Traditionen zu verbinden. Diese beiden Elemente müssen sowohl ihre enge Verbindung als auch ihren Unterschied bewahren.
Interreligiöser Dialog und Verkündigung stehen also miteinander in einer Wechselbeziehung, sind aber nicht austauschbar, denn sie sind authentische Elemente des Evangelisierungsauftrags der Kirche. Unter den gegenwärtigen Bedingungen, in denen wir heute leben, sind beide legitim und notwendig. Wir brauchen wirklich beides.
Mission ist ein schwieriges Thema in Deutschland. Viele sagen: Das brauchen wir nicht mehr, jeder Mensch soll seine Überzeugung haben. Was meinen Sie dazu?
Ich glaube, dass wir zunächst mit einem Missverständnis aufräumen müssen. Mission ist nicht gleichbedeutend mit Proselytismus [Abwerben von Gläubigen]. Wenn Mission so verstanden wird, kann es zu Fehlinterpretationen kommen.
Die Herausforderung für uns besteht darin, offen und aufnahmefreudig zu bleiben, ohne dabei den Sinn für die Gaben und Überzeugungen unseres katholischen Glaubens zu verlieren. Das gilt auch dann, wenn wir uns für den interreligiösen Dialog einsetzen. Wenn wir das „Salz“ unserer Identität und den Wunsch, das Evangelium zu bezeugen, verlieren, wird es uns nicht gelingen, einen aufrichtigen Dialog zu führen und die Überzeugungen und die Identität anderer zu respektieren. Die Kirche muss daher heute auf ihrem Weg der menschlichen Geschwisterlichkeit eine engere Verbindung mit anderen Kirchen und christlichen Gemeinden suchen und sich um ein besseres interreligiöses Verständnis bemühen, wenn sie die vom Zweiten Vatikanischen Konzil vorgeschlagene Vision der Kirche verwirklichen will: Sakrament der Einheit mit Gott und mit allen Menschen zu sein.
Die Kirche hat die Sendung, „die seelischen Kräfte“ (Fratelli tutti 276) der Christen und der anderen durch den Dialog zu wecken, um eine bessere Welt aufzubauen. Für uns Katholiken ergibt sich der Dialog aus unserer eigenen Identität und aus der Achtung der Würde eines jeden Menschen.
Das „Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt“, das am 4. Februar 2019 in Abu Dhabi vom Heiligen Vater und Ahmed al-Tayeb, dem Großimam von Al-Azhar, unterzeichnet wurde, und die Enzyklika „Fratelli tutti“ haben zum Ziel, eine „Kultur der Begegnung“ anstelle einer „Kultur des Konflikts“ zu fördern, eine „Kultur des Respekts und der Sorge“ anstelle einer „Kultur der Diskriminierung und Dämonisierung“.
Der Papst sagt: Jeder Christ ist eine Mission. Was heißt das für Sie?
Papst Franziskus fordert die Katholiken, ja alle Christen auf, „aus der eigenen Bequemlichkeit hinauszugehen und den Mut zu haben, alle Randgebiete zu erreichen, die das Licht des Evangeliums brauchen.“ (Evangelii gaudium, 20). Er stellt die Armen, die Benachteiligten und die Migranten in den Mittelpunkt seiner Sorge.
In der Botschaft des Papstes zum diesjährigen Weltmissionstag lesen wir: „Jeder Getaufte ist in der Kirche und durch den Auftrag der Kirche zur Mission berufen“. Heute in Mission zu sein, bedeutet, dem zu folgen, was Papst Franziskus vom Anfang seines Pontifikats an von uns verlangt: die Kirche zum Aufbruch zu drängen, sie auf eine Welt zu projizieren, die das Evangelium so sehr braucht, und sie von einer „selbstbezogenen“ Konzentrierung auf sich selbst und ihre eigenen Probleme abzubringen. Der Papst denkt an eine missionarische Jüngerschaft, die das Dunkel zu erhellen vermag, das die Geschwisterlichkeit bedroht (Enzyklika Fratelli tutti), und die frohe Botschaft √zu den Randgebieten, zu allen Ausgeschlossenen bringt: zu den Armen, den Migranten, den Leidenden. Er möchte, dass die Kirche nicht mehr für das bekannt ist, was sie ablehnt, sondern für das, wofür sie eintritt; eine Kirche, die Brücken schlägt und mit allen geschwisterlich verbunden ist, auch mit jenen, die anderen religiösen Traditionen angehören.
Der Papst stellt fest, dass sich die Kirche und die Welt in einem Prozess der globalen Neuausrichtung befinden. Er lädt uns ein, nicht vom Zentrum aus auf die Randgebiete zu schauen, sondern von den Randgebieten aus auf das Zentrum. Dabei dürfen wir nie aufhören, Zeugen Christi und seines Evangeliums zu sein.
Sie sind ja im Herzen bestimmt noch ein Comboni-Missionar. Was ist für Sie die Aufgabe von missionarischen Orden wie den Combonis heute?
Wir sollen dem Herrn immer für das Geschenk der missionarischen Berufung danken, die wir auf unterschiedliche Weise verwirklichen, je nach unseren Charismen, aber eins im Herrn, dem Vater aller Menschen, der uns zur Arbeit in seinem Weinberg berufen hat. Die missionarische Sendung muss in der Vielfalt der Charismen gelebt werden, aber immer für die eine Mission, zu der der Herr uns beruft.
Jedes Mitglied der Missionsorden und Missionsinstitute hat die Aufgabe, den Herrn mit seinem Leben und der eigenen Weihe zu bezeugen, aber gleichzeitig die Mission in jenem Geist zu leben, zu dem uns Papst Franziskus immer wieder aufruft, nämlich zu den existentiellen Peripherien zu gehen, die heute überall zu finden sind. Wie Papst Franziskus mehrfach gesagt hat, wächst die Kirche durch Attraktion und nicht durch Proselytismus, denn nur „die Freude, die in jenen aufstrahlt, die von Christus und seinem Geist angezogen werden“, kann jede missionarische Initiative fruchtbar machen.
Interview: Christina Brunner
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