Streitfall: Gehen Kinderarbeiter nicht zur Schule? Oder verdienen sie Geld, um zur Schule zu gehen? Foto: KNA |
|
Bolivien
Gibt es ein Recht auf Kinderarbeit?
In vielen Ländern der Welt tragen Kinder und Jugendliche mit ihrer Arbeit zum Einkommen der Familie bei. Für geringes Geld schuften sie hart, so dass oftmals Gesundheit und Schulbesuch leiden. In Bolivien fordern Kinder jetzt sogar das Recht auf Arbeit.
Etwa 840.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren arbeiten in Bolivien regelmäßig. Nach Schätzungen des Arbeitsministeriums arbeitet damit fast jedes vierte Kind in dem südamerikanischen Land. In der Grabpflege auf den Friedhöfen, als Zeitungs-, Blumen-, Obst- und Zigarettenverkäufer, als Schuhputzer, als Reinigungskraft in privaten Haushalten, als Küchenhilfe im Restaurant, und und und.
Der Kinderlohn ist zumeist sehr gering, und trotzdem in vielen Familien unverzichtbar, um Kleidung, Essen und Bücher für die Schule zu kaufen. Dinge, für die oftmals kein Geld da ist, weil zum Beispiel der Vater in der Mine des Bergwerks zu wenig verdient. Bolivien gilt als eines der ärmsten Länder Südamerikas. Viele Kinder werden in Familien hineingeboren, in denen die Eltern nicht ausreichend verdienen. Jedes vierte Kind in dem Land gilt nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation als unterernährt. Wie andere Länder auch, hat Bolivien Abkommen gegen Kinderarbeit unterschrieben. Nach bolivianischem Gesetz dürfen Kinder unter 14 Jahren keiner bezahlten Arbeit nachgehen. Bestimmte Tätigkeiten sind Kindern und Jugendlichen grundsätzlich verboten, zum Beispiel Arbeit in Nachtclubs, die Arbeit mit schweren Maschinen, das Reinigen von Gräbern. Derzeit überprüft das Parlament seine Haltung zur Kinderarbeit. Denn die im Jahr 2008 verabschiedete Verfassung verbietet Kinderarbeit ausdrücklich nicht, wohl aber, dass Kinder ausgebeutet werden. Noch aber gilt das ältere Gesetz, das die Kinderarbeit weitestgehend verbietet – ein widersprüchlicher Zustand zwischen der Verfassung des Landes und dem konkreten Gesetz. Im ganzen Land haben sich Kindergewerkschaften gebildet, die für das Recht auf Kinderarbeit kämpfen, für eine bessere Absicherung und gerechte Löhne.
Bolivien steht unter Druck: Die Befürworter einer geregelten Kinderarbeit müssen erkennen, dass wichtige Förderer genau das ablehnen. Internationale Organisationen wie Weltbank und Unesco und zudem zahlreiche Länder treten dafür ein, dass Kinderarbeit in Bolivien verboten bleibt.
Von Jobst Rüthers
Zurück zur Nachrichtenübersicht Mai/Juni 2014 |