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Ei­ne selt­sa­me Mis­si­ons­me­tho­de

Wo al­les so merk­wür­dig be­gann - Welt­gip­fel­tref­fen der Spi­ri­ta­ner in Ba­ga­mo­yo

Das Logo des 20. Generalkapitels der Spiritaner im ostafrikanischen Bagamoyo.

Vom 24. Ju­­ni bis zum 23. Ju­­li 2012 fin­­det in Ba­­ga­­mo­yo in Tan­­sa­­nia/Ost­afri­­ka das 20. Wel­t­­­gip­­fel­­t­re­f­­fen des in­­­ter­na­­ti­o­na­­len Mis­­si­on­s­or­­dens der Spi­ri­ta­­ner statt, das Ge­­ne­ral­­ka­pi­­tel, an dem 115 Spi­ri­ta­­ner aus 57 Län­­dern der Welt teil­­neh­­men. Pa­­ter Jo­han­­nes Hen­­schel, Spi­ri­ta­­ner und Mit­­ar­bei­­ter bei kon­­ti­­nen­­te, be­rich­­tet, warum aus­­­ge­­rech­­net das ost­afri­­ka­­ni­­sche Ba­­ga­­mo­yo für die­­ses Wel­t­­­t­re­f­­fen aus­­­ge­­sucht wur­­de: Die Kir­che hat dort mit ei­­ner sel­t­­sa­­men Mis­­si­on­s­­me­tho­­de be­­gon­­nen und da­zu noch mit der Hil­­fe von Mos­­lems.

Die ers­te Ein­tra­gung in dem Tauf­re­gis­ter von Ba­ga­mo­yo er­schüt­tert: Für den 20. April 1870 wird die Tau­fe von Ma­ria An­na Pa­scha be­zeugt, „ein Mäd­chen von fünf Mo­na­ten, sei­ner El­tern be­raubt und von uns aus der Skla­ve­rei los­ge­kauf­t“. Zwi­schen 1870 und 1879 er­kauf­ten die Spi­ri­ta­ner­mis­sio­na­re 1.238 Skla­ven die Frei­heit, und 295 wei­te­re be­f­rei­te Skla­ven brach­ten die Mann­schaf­ten bri­ti­scher An­ti-Skla­ve­rei-Schif­fe zu ih­nen in das „Christ­li­che Frei­dor­f“ für Ex-Skla­ven. Die Skla­ve­rei in Ost­afri­ka st­reb­te in der zwei­ten Hälf­te des 19. Jahr­hun­derts ih­rem Höh­e­punkt ent­ge­gen – mit ins­ge­s­amt 188.000 Vers­klav­ten al­lein in den neun Jah­ren von 1870 bis 1979. Doch was be­deu­ten 1.533 be­f­rei­te Skla­ven ver­g­li­chen mit den 188.000 ins­ge­s­amt Vers­klav­ten?

Wur­den Skla­ven frei ge­kauft, um sie zu Chris­ten zu ma­chen?
Ha­ben die Spi­ri­ta­ner­mis­sio­na­re die Be­f­rei­ten im „Christ­li­chen Frei­dor­f“ an­ge­sie­delt, um sie zwangs­wei­se zur Tau­fe zu füh­ren? In dem ge­nann­ten Zei­traum wur­den 1.533 Skla­ven be­f­reit. Im Tauf­re­gis­ter sind je­doch nur 530 Tau­fen ver­zeich­net: 460 Tau­fen los­ge­kauf­ter Skla­ven und 70 Tau­fen von Kin­dern, de­ren El­tern schon Chris­ten wa­ren. Ein Blick in das eben­falls vor­han­de­ne Ehe­re­gis­ter gibt wei­te­re in­ter­es­san­te In­for­ma­tio­nen. Am 5. Ju­ni 1871 sch­los­sen vor Pa­ter An­ton Hor­ner neun Braut­paa­re die christ­li­che Ehe. Al­le 18 Bräu­te und Bräu­ti­ga­me wa­ren 1867 aus der Skla­ve­rei los­ge­kauft wor­den. 15 von ih­nen hat­ten lan­ge vor ih­rer Hoch­zeit die Tau­fe emp­fan­gen. Zwei der Bräu­te hat­ten sich erst am Tag vor der Hoch­zeit tau­fen las­sen, und An­to­ni­us Mto­u­mou­la, am 5. Ju­ni 1871 Ehe­mann der So­phia Sta­mi­li, ließ sich erst am 11. Mai 1872 tau­fen; an dem Tag, als sei­ne ers­te Toch­ter Ali­cia ge­tauft wur­de.
Be­mer­kens­wert ist auch das Ehe­paar Eu­ge­nia und Nde­ge. Aus den Tauf­re­gis­tern ih­rer Kin­der geht her­vor, dass Nde­ge sich nie tau­fen ließ. Eu­ge­nia war als jun­ge Er­wach­se­ne 1868 aus der Skla­ve­rei frei ge­kauft wor­den. Doch tau­fen ließ sie sich von Pa­ter Jo­sef St­re­b­ler erst am 12. April 1879, ob­wohl sie ih­ren Sohn Lu­kas schon am 26. Ju­ni 1878 zur Tau­fe ge­bracht hat­te. Die Be­f­rei­ten wur­den al­so nicht zur Tau­fe ge­zwun­gen.

Al­le los­ge­kauf­ten Ex-Skla­ven im „Christ­li­chen Frei­dor­f“ wa­ren „Ent­wur­zel­te“ aus so vie­len Re­gio­nen Ost­afri­kas und „Sprach­lo­se“ aus so vie­len Sprach­grup­pen. Die Mis­sio­na­re muss­ten zu­nächst ein­mal Ge­mein­schaft un­ter ih­nen auf­bau­en. Für das Jahr 1871 nennt das Tauf­buch 71 Tau­fen, bei de­nen 69 Tauf­pa­tin­nen und Tauf­pa­ten mit­wirk­ten. Von den 48 Tauf­pa­ten un­ter­zeich­ne­ten 29 den Tau­f­ein­trag mit ih­ren gut le­ser­li­chen Un­ter­schrif­ten, von den 21 Tauf­pa­tin­nen so­gar 19. In Grup­pen hat­ten sie Schul­un­ter­richt er­hal­ten. In Grup­pen wa­ren sie auf die Tau­fe und die Ehe vor­be­rei­tet und in Grup­pen in Be­ru­fen aus­ge­bil­det wor­den. So ent­stand ein Be­zie­hungs­netz zwi­schen den Ex-Skla­ven. Den bes­ten Weg in ei­ne neue Zu­kunft sa­hen die Mis­sio­na­re da­rin, dass die Ex-Skla­ven, so bald wie mög­lich, hei­ra­te­ten. In den Fa­mi­li­en, in de­nen Kin­der her­an­wuch­sen, konn­ten die Ex-Skla­ven am bes­ten ei­ne neue, ech­te Ge­mein­schaft fin­den. Den Braut­paa­ren wur­de ein Stück Land zu­ge­wie­sen, auf dem sie sich ih­re Hüt­ten bau­en konn­ten und das anpflan­zen durf­ten, was sie zum Le­ben brauch­ten.

Ex-Skla­ven bau­ten die Kir­che mit auf

Die Mis­sio­na­re hat­ten noch weit­rei­chen­de­re Plä­ne: Die Neu­ge­tauf­ten soll­ten mit ih­nen im Lan­de­s­in­ne­ren neue Mis­si­ons­sta­tio­nen grün­den. 1877 hat­te Pa­ter An­ton Hor­ner in Mhon­da, zwei Ta­ges­mär­sche von Ba­ga­mo­yo ent­fernt, die zwei­te Mis­si­ons­sta­ti­on be­gon­nen. Am 11. No­vem­ber 1880 hei­ra­te­ten vor ihm sechs jun­ge Paa­re im Al­ter von 18 bis 23 Jah­ren, die für Mhon­da be­stimmt wa­ren. Al­le wa­ren aus der Skla­ve­rei los­ge­kauft und zwi­schen 1872 und 1878 ge­tauft wor­den. Sie al­le hat­ten ich im ers­ten Chris­ten­dorf in Ba­ga­mo­yo als gu­te Chris­ten be­währt. Jetzt soll­ten sie in Mhon­da mit Pa­ter Pier­re Ma­chon den Kern ei­ner neu­en christ­li­chen Ge­mein­de bil­den. Von 1882 bis 1887 ver­lie­ßen ins­ge­s­amt 85 jun­ge Paa­re, al­so 170 Per­so­nen, Ba­ga­mo­yo, um mit den Mis­sio­na­ren in neu­en Mis­si­ons­sta­tio­nen neue christ­li­che Ge­mein­den auf­zu­bau­en und so Mit­mis­sio­na­re für an­de­re Afri­ka­ner zu wer­den. Für Ba­ga­mo­yo si­cher sehr ein­schnei­den­de Er­eig­nis­se, die die Mis­sio­na­re aber in Kauf nah­men, weil es ih­rem Mis­si­ons­ziel ent­sprach.

Kir­che be­gann in Ba­ga­mo­yo mit der Hil­fe von Mos­lems

Es ist bis heu­te ei­ne über­ra­schen­de Tat­sa­che: Oh­ne die Hil­fe von Mos­lems hät­ten die ers­ten Spi­ri­ta­ner­mis­sio­na­re Kir­che in Ost­afri­ka nie grün­den kön­nen. Das wird auf­ge­zeigt am Bei­spiel von drei be­deu­ten­den Mos­lems. Obers­ter Lan­des­herr in Ost­afri­ka war der San­si­bar-Sul­tan Seyy­id Ma­jid bin Said (1856 bis 1870). Ihn nann­te P. Hor­ner 1863 nach sei­ner ers­ten Au­di­enz bei dem Sul­tan in ei­nem Brief an die Spi­ri­tan­er­zen­tra­le in Pa­ris „ei­nen Mann von gro­ßer Vor­nehm­heit und von ei­ner un­ver­g­leich­li­chen Gü­te“. Vol­ler Freu­de ha­be er den Plan der Mis­sio­na­re be­grüßt, „den Ar­men und Kran­ken zu hel­fen und frei ge­las­se­ne Skla­ven in Hand­wer­ken aus­zu­bil­den“. Dass es dem Sul­tan da­mit ernst ge­meint war, be­weist die Tat­sa­che, dass er, der Mos­lem, den Mis­sio­na­ren in Ba­ga­mo­yo ein gro­ßes Stück Land schenk­te; groß ge­nug, um das ers­te „Christ­li­che Frei­dor­f“ für los­ge­kauf­te Ex-Skla­ven zu be­gin­nen. Die un­er­war­te­te Un­ter­stüt­zung durch den Sul­tan si­cher­te den Be­ginn der Kir­che in Ost­afri­ka.

Den Mos­lem Said bin Awadh Ma­gram nennt das „Ba­ga­mo­yo Jour­nal“, das Ta­ge­buch der Ba­ga­mo­yo-Mis­sio­na­re, im­mer wie­der „un­se­ren gu­ten Freun­d“. P. Hor­ner be­rich­te­te 1880 in sei­nem „Be­richt über die Mis­si­ons­ar­beit und die Mis­si­ons­rei­sen“, dass Said bin Awadh Ma­gram nicht nur bei der Zu­sam­men­stel­lung der Trä­ger­ka­ra­wa­nen in das Lan­de­s­in­ne­re be­hil­f­lich war, son­dern, dass er, der Mos­lem, sel­ber die Mis­sio­na­re bei den Rei­sen zu neu­en Or­ten be­g­lei­te­te und dort die ers­ten Kon­tak­te mit den ört­li­chen Stam­mes­häupt­lin­gen er­mög­lich­te. So konn­te P. Hor­ner durch sei­ne Hil­fe im Jahr 1878 von dem Häupt­ling Kin­ga­ru die Er­laub­nis zur Er­öff­nung der Mis­si­ons­sta­ti­on in Man­de­ra er­wir­ken. Oh­ne die Hil­fe an­ge­se­he­ner Mos­lems wä­ren sol­che Kon­tak­te nicht mög­lich ge­we­sen.

Ein sehr en­ger Freund der Ba­ga­mo­yo-Mis­sio­na­re war Se­wa Ha­ji Pa­roo. Er ge­hör­te der Mos­lem-Rich­tung der Kho­ja Is­mai­li an und führ­te mit den Mis­sio­na­ren re­gel­mä­ß­ig Glau­bens­ge­spräche. Nicht um sie zu be­keh­ren, son­dern als ech­ten Aus­tausch des ge­mein­sa­men Glau­bens. Oft und oft half er den Mis­sio­na­ren mit großz­ü­g­i­gen Spen­den bei der Durch­füh­rung ih­rer ka­ri­ta­ti­ven Pro­jek­te. Da­für wur­de er bei ei­nem Pa­ris-Be­such von dem Ge­ne­ra­l­obe­ren der Spi­ri­ta­ner, Pa­ter Am­bro­se Emon­net, sehr herz­lich in der Spi­ri­ta­ner-Zen­tra­le emp­fan­gen. Se­wa Ha­ji Pa­roo hat in sei­nem Te­s­ta­ment vom 6. Sep­tem­ber 1896 den Spi­ri­ta­nern nicht nur ei­ne an­sehn­li­che Geld­sum­me „für die Ar­men“ ver­macht, son­dern den ka­tho­li­schen Mis­sio­nar Pa­ter Eti­en­ne Baur zum ers­ten Te­s­ta­ment­voll­st­re­cker er­nannt. Oh­ne die oft be­acht­li­chen Spen­den die­ses mus­li­mi­schen Ge­schäfts­man­nes hät­ten die Mis­sio­na­re ih­re vie­len ka­ri­ta­ti­ven Wer­ke nicht durch­füh­ren kön­nen.

Er­staun­lich: Kir­che be­gann in Ba­ga­mo­yo mit der Hil­fe an­ge­se­he­ner Mos­lems, und eben­so er­staun­lich ist, wie of­fen die ers­ten Spi­ri­ta­ner­mis­sio­na­re den Mos­lems be­geg­ne­ten. 27 von ih­nen ru­hen auf dem his­to­ri­schen Fried­hof in Ba­ga­mo­yo. Sie al­le star­ben recht jung. Der Jüngs­te war ge­ra­de 21 Jah­re alt ge­wor­den. 24 an­de­re star­ben, be­vor sie 30 Jah­re alt ge­wor­den wa­ren, und nur zwei wur­den äl­ter als 40 Jah­re. Ih­re Ein­satz­be­reit­schaft, ih­re großz­ü­g­i­ge Pa­s­to­ral mit Tauf­be­wer­bern und ih­re of­fe­ne Hal­tung Mos­lems ge­gen­über er­sta­unt.

Mit der Wahl von Ba­ga­mo­yo als dem Ort ih­res 20. Ge­ne­ral­ka­pi­tels er­hof­fen sich die Spi­ri­ta­ner von heu­te, dass sie so auf kon­k­re­te An­fra­gen un­se­rer Zeit ant­wor­ten, wie es die ers­ten Mis­sio­na­re mit ih­rem Ein­satz für die Skla­ven ge­tan ha­ben, und dass sie neue Im­pul­se für ih­re in­ter­kul­tu­rel­le und in­ter­re­li­giö­se Ar­beit er­hal­ten wie auch die ers­ten Mis­sio­na­re in Ba­ga­mo­yo. So könn­te über Ba­ga­mo­yo ei­ne neue Mor­gen­son­ne auf­ge­hen und auch über al­len Or­ten in der Welt, an de­nen Spi­ri­ta­ner le­ben und ar­bei­ten.

Mehr In­fos fin­den Sie on­li­ne auch un­ter

www.spiritaner.de

oder

www.bagamoyo-album.de




Sonnenaufgang über dem Indischen Ozean in Bagamoyo.

Im Museum von Bagamoyo bezeugt bis heute die geöffnete Sklavenkette von dem befreienden Einsatz der Missionare.

Erste Kirche in Ostafrika, erbaut 1872.

Aneinander gekettet wurden Sklaven zur ostafrikanischen Küste getrieben.

Immer wieder kamen Sklavenkarawanen in Bagamoyo an. Die Missionare erkauften so vielen wie möglich die Freiheit.

Treffen mit Häuptling Kingaru in Mandera, vermittelt durch Said bin Awadh Magram, hinter Pater Anton Horner (rechts).

In den Familien fanden die ehemaligen Sklaven eine neue Zukunft.

Die Missionsreisen in das Landesinnere waren recht abenteuerlich.

Auf dem historischen Friedhof in Bagamoyo ruhen 27 der ersten Missionare.

Die Gongoni-Moschee in Bagamoyo wurde 1920 erbaut.

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