Fairtrade-Logo: Es zeichnet Produkte aus, die die Mindeststandards von FLO, der Dachorganisation für Fairen Handel, einhalten. Foto: Transfair |
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Fairtrade muss fair bleiben
Fair gehandelte Ware ist zunehmend gefragt. Auch Discounter bieten Produkte an, mit deren Verkauf die Erzeuger in Entwicklungsländern einen gerechten Preis für ihre Arbeit erhalten sollen. Ein Blick auf eine Bewegung im Umbruch, die um ihre Glaubwürdigkeit ringt.
Auf den ersten Blick scheint es rundum eine Erfolgsgeschichte zu sein. Um über 1000 Prozent ist der Umsatz von fair gehandelten Waren in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren gestiegen. Viele Verbraucher sind bereit, für Kaffee, Tee oder Schokolade mehr zu bezahlen, wenn sie damit zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen der Produzenten in Afrika, Asien und Lateinamerika beitragen können. Sie machen „Politik mit dem Einkaufskorb“, um zu zeigen, dass ihnen nicht egal ist, unter welch sozialen, ökologischen und ökonomischen Aspekten Waren hergestellt werden. Es gibt „Fairtrade“-Städte, -Unis und -Schulen. Immer mehr Unternehmen und kirchliche Einrichtungen schreiben sich „nachhaltige und faire Beschaffung“ auf die Fahnen. So weit, so gut. Doch es gibt auch kritische Stimmen, die Entwicklungen hinterfragen und auf die die Akteure des Fairen Handels reagieren müssen.
Verwirrung im Siegel-Dschungel
Schwerwiegend ist beispielsweise der Vorwurf des Senegalesen Ndongo Sylla, der in seinem Buch „The Fair Trade Scandal“ schreibt, heute sei der Faire Handel „die Vermarktung der Armut zum Nutzen der Reichen“. Aus einer sozialen Bewegung, die durch strukturelle Veränderungen im Welthandel die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Produzenten im Süden habe verbessern wollen, sei eine Handelsbranche entstanden, für die allein Verkaufszahlen entscheidend seien. Laschere Regeln, ein undurchsichtiger Siegel-Dschungel und wenig Vorteile für die Produzenten seien die Folge.
Ein Pauschalurteil, das sicher nicht auf die ganze Fairtrade-Bewegung zutrifft, aber doch ein Körnchen Wahrheit enthält. Mittlerweile können Konsumenten selbst bei Discountern fair gehandelte Produkte erwerben. Die GEPA, Europas größter Importeur fair gehandelter Waren, beliefert diese Lebensmittelmärkte jedoch nicht. Warum? Für GEPA-Geschäftsführer Thomas Speck passt nicht zusammen, wenn ein Discounter ein kleines Sortiment fairer Ware – zum Kaufanreiz – im Sortiment hat, ansonsten aber eine Einkaufspolitik nach der „Geiz-ist-Geil-Mentalität“ verfolgt. Höhere Absatzchancen hin oder her: Die GEPA bleibt ihrem Ursprungsauftrag treu. Sie und weitere Importeure wie dwp, Globo, BanaFair oder El Puente, aber auch Weltläden und kirchliche Aktionsgruppen, möchten nicht nur faire Produkte verkaufen, sondern vor allem auch eine politische Lobby für die Armen sein. Ihre Überzeugung: Fairer Handel macht nur Sinn, wenn er mit politischer Bewusstseinsbildung verbunden ist; wenn ungerechte Welthandelsbedingungen nach und nach aufgegeben werden, zum Beispiel Agrarsubventionen und Protektionismus.
Glaubwürdigkeit bewahren
Mit dem Fairtrade-Siegel ausgezeichnete Produkte signalisieren, dass bei deren Herstellung die Mindestkriterien für Fairen Handel, die der Dachverband Fairer Handel vorgibt, eingehalten werden. Dazu gehört ein garantierter Mindestpreis, der gezahlt wird, auch wenn der Weltmarktpreis darunter liegt. GEPA-Produkte hingegen bieten Mehrleistungen über die allgemeinen Fair-Handelskriterien hinaus, etwa Qualitätszuschläge, Vorfinanzierung, ein hoher Bio-Anteil (75 %), ein hoher Fair Handelsanteil und Engagement im Umweltschutz.
Im Jahr 2011 etwa, als Fairtrade Deutschland den Mindestanteil zertifizierter Zutaten in Mischprodukten wie Schokolade, Kekse oder Saft von 50 auf 20 Prozent senkte, entschied sich die GEPA, das Fairtrade-Logo von ihren Produkten zu nehmen. Stattdessen hat sie das „fair+“-Zeichen entwickelt, das dem Verbraucher höhere Standards signalisieren soll. So müssen GEPA-Mischprodukte zwischen 40 und 100 Prozent aus fair gehandelten Zutaten bestehen. Eine mit dem Fairtrade-Siegel ausgezeichnete Schokolade kann hingegen 80 Prozent konventionelle Zutaten enthalten. Das Argument, mit dem Absenken des Fairtrade-Anteils habe man die Zahl der Mischprodukte steigern und damit größere Absatzchancen schaffen wollen, lässt GEPA-Geschäftsführer Thomas Speck nicht gelten. Er warnt vor einer Verwässerung der Standards und einem Verlust der Glaubwürdigkeit. „Wo fair drauf steht, muss auch fair drin stecken.“
Uneinigkeit gibt es auch in der Frage, ob beim Fairen Handel vor allem Produkte von Kleinbauern gehandelt werden sollen oder auch solche von Plantagen zertifiziert werden können. Im internationalen Transfair-System gehören Kaffeeplantagen schon längst dazu. Die GEPA setzt hingegen weiterhin vor allem auf kleinbäuerliche Familienbetriebe, die 85 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe in sogenannten Entwicklungsländern ausmachen. Diese Kleinbauern können mit Plantagen nicht konkurrieren. Für die Bekämpfung der Armut ist aber ihre Unterstützung zentral.
Ob Gepa „fair+“, Rainforest Alliance, 4C, Fairtrade, UTZ oder Naturland fair, um nur einige Siegel und Logos zu nennen: Ein Blick auf das, wofür sie stehen, lohnt sich, auch wenn es mühsam ist. Denn jeder versteht unter „fair“ etwas anderes. Es liegt am Verbraucher, welches Modell er unterstützen möchte. Denn etwas haben die vergangenen Jahre gezeigt: Die Kunden haben Macht. Wenn sie fair gehandelte Ware wollen, handelt der Markt entsprechend. Auch die Discounter haben sich bewegt. Wenn die Verbraucher sich nicht täuschen lassen durch billige Marketing-Kampagnen auf Kosten der Fairness, dann könnte es tatsächlich eines Tages „eine Verdrängung schlechter Arbeitsbedingungen und Löhne durch gute Arbeitsbedingungen und Löhne“ geben, wie Thomas Speck hofft.
Von Eva-Maria Werner
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