Chefredakteur Jobst Rüthers |
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Liebe Leserin, lieber Leser,
wie zermürbend kann Warten sein? Warten in einer Gefängniszelle. Nicht wissen, was kommt; wie es weitergeht; ob ich einem Menschen begegnen werde; wie mein Leben in einigen Wochen aussieht. Menschen, die in unserem Land im Abschiebegefängnis darauf warten, als Flüchtling abgeschoben zu werden, erleben diese Perspektivlosigkeit. Die Missionsärztliche Schwester Dagmar Plum besucht sie, spricht mit ihnen, teilt für einige Minuten die Einsamkeit, schenkt Freundlichkeit und Unterstützung. Sie erlebt, wie menschliche Leere aussehen kann: Junge Menschen, die ihre Vergangenheit leugnen, um nicht in die Heimat abgeschoben zu werden. Eine Vergangenheit, die sie hinter sich lassen wollen, weil sie mit Gefahren, Armut, Hoffnungslosigkeit verbunden war. Wer verlässt schon gerne Familie, Freunde und Heimat? Menschen, die nun darauf hoffen und warten, als Flüchtling in Deutschland anerkannt zu werden, um sich ein neues Leben aufzubauen.
Der Fremde? Die engagierte Ordensfrau bekennt, selber Vorbehalte gegenüber Fremden gehabt zu haben: „Sobald ich aber einem solchen Menschen gegenübersitze, weiß ich: Er ist genauso ein Gotteskind wie ich. Wie kann ich so jemandem ins Gesicht schauen und ihn verurteilen?“ Obwohl nach dem 2. Weltkrieg viele Menschen selber die Erfahrung von Vertreibung und Flucht gemacht haben, würden die Flüchtenden heute nicht als Gäste behandelt, kritisiert Schwester Dagmar: „Sie werden eingesperrt, weil sie ohne gültige Papiere unterwegs sind. Menschen in Abschiebehaft sind aber keine Kriminellen, es sind Menschen in Not.“ Unsere Redakteurin Eva-Maria Werner und die Fotografin Kathrin Harms haben die Ordensschwester bei ihrer Arbeit im Abschiebegefängnis Eisenhüttenstadt begleitet. Pater Thomas Wunram, Missionar vom Kostbaren Blut, fordert in seinem Spiritualitäts-Beitrag „Wir waren Fremde ...“ Christen und Kirche auf, sich bedingungslos an die Seite dieser Menschen zu stellen.
Herzlichst,
Ihr Jobst Rüthers
Kontakt: ruethers@kontinente.org
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