Lebensader Nil: Im Großraum von Kairo leben mehr als 25 Millionen Menschen.
Foto: H. Schering |
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Wasserrechte
Das lebenswichtige Wasser des Nils
26.08.2013 - Äthiopien will Wasser des Nils stauen, Ägypten und der Sudan fürchten deshalb Wassermangel. Bereits Anfang Juni begannen die Arbeiten, um den Oberlauf des Blauen Nils umzubetten. Konflikte zwischen Äthiopien und den Nachbarländern scheinen vorprogrammiert.
Seit tausenden von Jahren trägt der Nil die Wassermassen aus dem Inneren Afrikas über tausende Kilometer bis zum Mittelmeer. Entlang des Stroms sind Hochkulturen entstanden, weil das Wasser und der Schlamm intensive Landwirtschaft möglich machten. Der Nil ist auch ein Verkehrsweg, auf dem das Christentum schon in seiner Frühzeit und später auch der Islam ins Innere Afrikas bis nach Sudan und Äthiopien gelangten.
Die Politiker in Ägypten werden unruhig, wenn es um ihre Rechte an den Wassern des Nils geht. Schließlich ist dieser Fluss seit Jahrtausenden die Lebensader dieses Landes. Ohne das Nilwasser ist Ägypten so gut wie tot. Auslöser der jetzigen Unruhe ist der Bau des so genannten „Renaissance“- Staudamms am Blauen Nil in Äthiopien. Unverholen drohen Politiker in Kairo mit kriegerischen Maßnahmen, um die Regierung in Addis Abeba von dem Bauvorhaben abzubringen. Ein ägyptischer Politiker kam vor laufenden Fernsehkameras sogar auf die Idee, Agenten nach Äthiopien zu schicken, die dort Anschläge verüben sollen.
Für den Bau des Dammes muss der Lauf des Blauen Nils in ein künstliches Flussbett umgeleitet werden. Bereits Ende Mai hatte Äthiopien mit der Umleitung des Flusses begonnen. Wenn das Projekt in drei Jahren vollendet ist, sollen die Turbinen der neuen Kraftwerke Strom in der Größe von 6.000 Megawatt liefern und die Industrialisierung Äthiopiens voranbringen. Die ägyptische Regierung befürchtet, dass sich das äthiopische Staudammprojekt negativ auf den Wasserstand des Nils auswirken könnte, der für die Wirtschaft und die Menschen in Ägypten von grundlegender Bedeutung ist.
Die äthiopischen Behörden zeigten sich zwar bisher nicht zu einer Änderung der Baupläne bereit. Sie versicherten aber nach einem Treffen der Außenminister beider Länder, dass die ägyptischen Sorgen um die Wassersicherung berücksichtigt werden sollen.
Zunehmender Wasserverbrauch
Der Blaue Nil ist einer der wichtigen Quellflüsse des Nils. 85 Prozent des Wassers, das in Ägypten ankommt, stammt aus dem äthiopischen Hochland. In Sudan bei Khartum trifft der Blaue Nil auf den Weißen Nil, der aus dem Viktoria-See durch Uganda, Südsudan und Sudan nach Norden fließt. Der Sudan wollte durch das gigantische Projekt des „Jonglei“-Kanals einmal dafür sorgen, dass die Wasser des Weißen Nils ungehindert nach Süden fließen können. Bis heute verdunstet mehr als 60 Prozent seines Wassers in den riesigen Sümpfen des Sudd. Der Kanal würde allerdings die Sümpfe trocken legen und die Lebensweise der Menschen dort total verändern. Mit dem Bau wurde 1980 begonnen, der Kanal aber nur zur Hälfte fertig gestellt. Der Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südsudan beendete das Projekt.
Nach Angaben des ägyptischen Planungsinstituts braucht Ägypten bis zum Jahr 2050 jährlich 21 Milliarden Kubikmeter Wasser, mehr als die bisher bereits erforderlichen 55 Millionen. Bis dahin wird die Bevölkerung in Ägypten und Sudan um mehr als 50 Prozent anwachsen. Die Landwirtschaft ist in beiden Ländern total vom Nilwasser abhängig.
Koloniales Erbe und alte Rechte
Schon 1929 hatten die britischen Kolonialherren auf Verträge gedrängt, die Ägypten und Sudan Vorrechte auf Nilwasser zusprachen auf Kosten der für die Briten unwichtigen Anrainer an den Oberläufen des Stroms. Daran fühlen sich die heute unabhängigen Staaten dort nicht mehr gebunden, sind aber bereit zu Verhandlungen über neue Verträge.
Bisher nutzen die Länder am Oberlauf des Nils kaum sechs Prozent des Wassers. Doch die auch dort wachsende Bevölkerung wird in Zukunft mehr Wasser verbrauchen. Uganda hat bereits ein Elektrizitätswerk bei Jinja, das fast ganz Uganda mit Strom versorgen kann und baut eine neue Staustufe mit einem Kraftwerk unterhalb der Bujagali-Stromschnellen des Viktoria-Nils. Tansania schöpft durch eine 170 Kilometer lange Pipeline Trinkwasser aus dem Viktoriasee ab. Burundi und Ruanda haben eigene Pläne, auch Kenia und Südsudan melden Ansprüche an. Sudan baute bei Merowe ein Kraftwerk und vergrößerte den Bereich seiner von Bewässerung abhängigen Landwirtschaft. Diese Entwicklungen machen den Politikern in Ägypten Sorgen.
Hoffnung auf kirchliche Vermittlung
Erwartungen setzten manche in eine „kirchliche Mittlertätigkeit“ des koptisch-orthodoxen Papstes Patriarch Tawadros II. zwischen Ägypten und Äthiopien im Hinblick auf das umstrittene äthiopische Staudammprojekt. Doch der äthiopisch-orthodoxe Patriarch hat seinen ursprünglich für Juni geplanten viertägigen Besuch in Ägypten aufgeschoben. Wie Beobachter aus Ägypten berichten, traf sich Papst Tawadros II. bereits im Juni mit koptischen Politikern zu einem Informationsgespräch, bei dem der geplante Bau des Staudamms im Mittelpunkt stand. An den Gesprächen im Kloster Anba Bishoy in Wadi Al-Naturn in der Nähe von Alexandria, nahmen auch der ehemalige Fremdenverkehrsminister Mounir Fakhry Abdel-Nour und der Berater des ehemaligen Präsidenten Mursi, Semir Morcos, teil.
In den vergangenen Wochen waren bereits Gerüchte im Hinblick auf eine Mittlertätigkeit des koptischen Patriarchen in Umlauf gebracht worden, die die Kirche jedoch dementierte. Die ägyptische Regierung soll nach Medienberichten um eine solche Mittlertätigkeit gebeten haben.
Eine unsichere Zukunft
Wie wichtig der Zugang zum Wasser für das Leben der Menschen in Afrika und weltweit ist, wird am Beispiel Ägypten deutlich. Das Wachstum der Bevölkerung entlang des Nils erhöht den Wasserverbrauch. Die jetzigen Nutznießer pochen auf „alte Rechte“ und Verträge aus der Kolonialzeit, die jungen afrikanischen Staaten erkennen sie aber nicht als bindend an. Der Klimawandel ist ein weiteres unberechenbares Problem ebenso wie die ungewisse politische Entwicklung.
Von Pater Hans B. Schering mit Material von fides
Dieser Artikel stammt aus dem kontinente-Eigenteil der Afrikamissionare. Mehr Infos über die Afrikamissionare finden Sie hier.
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