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Das ärgert mich!
Alles im Bild
Im vergangenen Jahr starben mehr Menschen beim Fotografieren von Selfies als durch Hai-Attacken. Zugegeben, der Vergleich wirkt – zumindest für unsere Breitengrade – ziemlich weit hergeholt. Aber er sagt eine Menge aus über die Generation Instagram, die für ein Selbstporträt auf der gleichnamigen Fotoplattform alles tut und zugleich alles um sich herum vergisst.
Bei Konzerten sieht man kaum noch die Bühne, weil Besucher reihenweise ihre Handys in die Höhe recken und das Geschehen nur noch auf dem Display verfolgen. Denk mäler werden von knipsenden Touristen verstellt, die das eigentlich Sehenswerte keines Blickes würdigen – gut bei asiatischen Besuchergruppen zu beobachten, die gerne mit Tablet am Selfiestab anrücken und später zu Hause mithilfe der Bilder rekonstruieren, wo sie überhaupt waren.
In ihrer Anfangszeit hatte die Fotografie wichtigen Dokumentationscharakter. Sie bildete die Wirklichkeit ab, belegte soziale Missstände, war Beweismittel gegen Unrecht. Heute hat sich das Ganze grotesk verkehrt: Als authentisch gilt nur noch, was aufs Bild gebannt ist. Trauen die Selfie-Macher ihren Augen nicht mehr? Haben sie Angst zu vergessen, was sie nicht mit Hilfe der Technik festhalten? Die Generation Instagram erlebe die Gegenwart als vorweggenommene Erinnerung, sagt der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman. Dabei verpasst sie das Wichtigste: ein Erleben mit allen Sinnen, das lange in Erinnerung bleibt.
Von Beatrix Gramlich
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