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Brennpunkt
Wie grün sind Ökostrom-Tarife?
„Ökostrom-Tarife helfen oft gar nicht bei der Energiewende“, heißt es auf der Website der Verbraucherzentrale - ein ernüchterndes Urteil für alle, die mit einem „grünen“ Tarif die Energiewende unterstützen möchten. Für viele spielen nicht nur Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte eine große Rolle: Ökostrom soll auch helfen, teure Erdöl- und Gasimporte und dadurch entstehende Abhängigkeiten zu reduzieren.
Nur Strom, der zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien, also aus Wind- und Wasserkraftwerken oder Photovoltaik, gewonnen wird, ist de facto Ökostrom. Doch Stromversorger können auch einen Mix aus „grünem“ und „grauem“ Strom zum Ökostrom-Tarif verkaufen. Zum einen hängt das damit zusammen, dass die Strombezugsquelle unabhängig vom Tarif ist. Das heißt, dass auch Ökostrombezieher mit Energie aus dem nächstgelegenen Kraftwerk versorgt werden –
ob das nun ein Wind- oder Kernkraftwerk ist, hängt also von der geografischen Lage ab. Zum anderen müssen Stromanbieter für die Menge, die sie als Ökostrom anbieten, Herkunftsnachweise vorweisen können, die belegen, wie und wo der Strom erzeugt wurde.
Herkunftsnachweise aus Deutschland gibt es aber kaum. Denn für Strom, der durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefördert wird, können keine Herkunftsnachweise ausgestellt werden. Anlagenbetreiber zweimal Extra-Erlöse einstreichen: über die EEG-Förderung und durch den Verkauf der Nachweise. Die Netzbetreiber müssen sich also zwischen staatlicher Förderung und Herkunftsnachweisen entscheiden; laut Verbraucherzentrale nutzen fast alle die sichere EEG-Finanzierung.
Damit sie ihr Angebot mit „100 Prozent Ökostrom“ ausweisen können, kaufen deutsche Energieversorger Herkunftsnachweise aus dem Ausland. Das bedeutet zwar, dass die von ihren Kunden bezogene Menge Strom tatsächlich irgendwo „grün“ erzeugt wird. Beim Endverbraucher kommt aber tatsächlich kein oder nur wenig Ökostrom an.
Ökolabels bieten Orientierung
Um Tarife zu erkennen, die tatsächlich die Energiewende unterstützen, können Ökolabels helfen. Die Verbraucherzentralen empfehlen das Grüner-Strom-Label und das ok-Power-Label. Beide garantieren, dass die Stromanbieter weder an Atomkraftwerken, noch an neuen Steinkohle- oder Braunkohlekraftwerken beteiligt sind.
Viele möchten auch Grundstücks- oder Dachflächen für Photovoltaikanlagen nutzen. In den vergangenen vier Jahren ist die Zahl der PV-Anlagen laut Statistischem Bundesamt um 34 Prozent auf 2,2 Millionen gestiegen. Der steigenden Nachfrage nach Solarpaneelen stehen Lieferengpässe und hohe Rohstoffpreise gegenüber. Außerdem kommen die meisten Anlagenteile aus China, was Abhängigkeiten schürt und die Umweltfreundlichkeit des „grünen“ Vorhabens wegen der weiten Transportwege infrage stellt.
Könnte Solarstrom aus Afrika eine Lösung sein? Dort sollen große Solarparks entstehen. Es gibt Überlegungen, dass dortige Überschüsse Solarstrom-Engpässe in Europa ausgleichen könnten. Potenzielle Energietransporte sind aber umstritten: Es müsste eine umfangreiche und teure Infrastruktur errichtet und bei der Übertragung mit Energieverlusten gerechnet werden.
Text: Pia Scheiblhuber
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