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Brennpunkt Corona
Das Virus treibt Millionen in die Armut
Ende April schlug die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Alarm: Die Zahl der Corona-Kranken in Afrika hatte sich innerhalb kürzester Zeit um mehr als die Hälfte erhöht. Die Behörde rechnet damit, dass sich binnen Jahresfrist bis zu 44 Millionen Menschen auf dem Kontinent infiziert haben könnten. Fast alle afrikanischen Länder wären damit heillos überfordert. Ihre Gesundheitssysteme sind schlecht, häufig fehlt es schon am Nötigsten wie Einwegspritzen oder Desinfektionsmitteln. Während in Europa im Schnitt 4000 Intensivbetten für eine Million Einwohner zur Verfügung stehen, sind es in Afrika gerade mal neun. Mancherorts kommt auf 70000 Einwohner ein Arzt.
In den ärmsten Ländern und Staaten mit kriegerischen Konflikten, in Slums und Flüchtlingslagern, wo Hunderttausende auf engstem Raum leben, hätte das Virus verheerende Auswirkungen. Für indigene Völker, die kaum Kontakt zur Außenwelt haben, könnte es tödlich sein. Bei Redaktionsschluss Ende Mai war Brasilien nach den USA das Land mit den meisten Corona-Infizierten. Am Amazonas haben sich ganze Clans ins Innere des Regenwaldes zurückgezogen, um sich zu schützen. Unterdessen dringen Holzfäller und Goldgräber, die das Virus womöglich einschleppen, immer weiter in ihre Gebiete vor.
Indien reagierte auf Corona mit der härtesten Ausgangssperre weltweit. Tagelöhner, Wanderarbeiter, Straßenhändler verloren wie unzählige Menschen in Asien, Afrika und Lateinamerika von jetzt auf gleich ihren Lebensunterhalt. Manche sagen, sie würden lieber am Virus sterben als an Hunger. Vermutlich auch deshalb haben Länder wie Nigeria und Senegal ihre Ausgangssperren wieder gelockert. Dass Afrikas Bevölkerung mit durchschnittlich 19,4 Jahren jung ist, könnte im Kampf gegen Corona helfen. Trifft die Pandemie Afrika mit voller Härte, steuert der Kontinent auf eine Rezession zu. Das Schuldenmoratorium von 14 Milliarden Dollar, das die G20 den 77 ärmsten Ländern angeboten haben, ist in jedem Fall ein Armutszeugnis.
Von Beatrix Gramlich
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