Foto: Ann Hermes/Getty Images |
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Frauen-Solidarität in der Männerwelt
In den 25 Jahren meines Einsatzes in Indonesien gab es viele Kontakte mit muslimischen Menschen. Die erste Niederlassung der Reuter Franziskanerinnen im Norden Sumatras war in der Stadt Padangsidimpuan, die zu 90 Prozent muslimisch ist. Wir waren integriert, jedermann kannte unser Auto, das lange Jahre von einem stadtbekannten äußerst liebenswürdigen älteren muslimischen Fahrer gesteuert wurde.
Es war jedoch eine Autofahrt, bei der ich selber am Steuer saß, die mir zu einer besonderen Erfahrung verhalf. Beim Überholen streifte ich einen Kleinbus, der abbiegen wollte. Der Fahrer beharrte darauf, dass er rechtzeitig den Blinker betätigt habe und dass ich, die ich überholte, deshalb zu 100 Prozent schuldig sei. Der zufällig vorbeikommende Bürgermeister des Ortes kam zu dem gleichen Urteil wie der Fahrer. Ich wollte keine Polizei herbeirufen. Und so hätte ich vermutlich klein beige-geben, um noch größeren Schaden zu vermeiden, als plötzlich eine Gruppe muslimischer Frauen hinzukam. Da es keine Zeugen bei dem Unfall gab, bestanden die Frauen entgegen des Urteils der Männer darauf, dass es nicht sein könne, dass ich allein schuldig sei. Sie waren der Ansicht, dass ein fairer Handel stattfinden müsse, da es keine Augenzeugen gegeben habe und sie überzeugt seien, dass ich nicht lüge.
Diese Solidarität und Stärke der Frauen hat mich fast umgehauen, für sie war es selbstverständlich, dass die Kosten der Reparaturen zu halbieren sind. Auch der Bürgermeister beugte sich ihrem Urteil.
Obwohl der Ort etwa 50 Kilometer von unserem Kloster in Padangsidimpuan entfernt war, spürte ich: Die Dienste unserer Schwestern in der Klinik, aber auch in der Öffentlichkeit überzeugen und schaffen eine ungeheure Kraft des Vertrauens und der Solidarität der Frauen in dieser männerdominierten muslimischen Welt.
Von Schwester Barbara Winter
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