Ein Viertel in Meiktila, Birma, steht in Flammen nach gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Buddhisten.
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"Wenn es hier brennt, dann brennt die
ganze Stadt"
In Birma drohen weitere Unruhen zwischen Buddhisten und Muslimen
25.03.2013 - Rangun. Die Angst vor einem neuen Gewaltausbruch ist in Ranguns Stadtteil Tamwe allgegenwärtig. Die Geschäfte in dem Viertel, in dem viele Muslime leben, haben seit Montagmittag geschlossen. Im großen Mingla-Markt packen die Händler ihre Waren zusammen, die eisernen Rollläden in der Yuzana Shopping Mall sind bereits geschlossen, in den Straßen bauen Garküchenbesitzer ihre Stände ab. In den Cafes sitzen Männer beim Tee und debattieren erregt. Andere telefonieren hektisch.
"Wir bekommen viele Informationen. Es ist schwer, Fakten von Gerüchten zu trennen", sagt Thant Zin Aye. Der 31-jährige Grafikdesigner, der sich eigenen Angaben zufolge für den interreligiösen Dialog einsetzt, versucht sich bei einem Rundgang durch das Viertel selbst ein Bild zu machen. Er hat gehört, dass sich in der Nähe rund 500 radikale Buddhisten sammeln, um die Muslime in seinem Viertel anzugreifen. Seit Mittwoch vergangener Woche wird Zentralbirma von einem gewaltsamen Konflikt zwischen Buddhisten und Muslimen erschüttert. In Meiktila und anderen Städten in der Nähe von Mandalay sind Dutzende Menschen zu Tode gekommen, Moscheen gingen in Flammen auf, islamische Schulen wurden verwüstet. Myint Thein, Direktor des "Al-Azhar Islamic Institut" in Rangun, glaubt zu wissen, wer die Täter sind: "Das ist die militante buddhistische Organisation 969. Sie wollen zurück zu den alten Zeiten der Militärdiktatur. Die Bewegung hat Rückendeckung von konservativen Kräften in der Regierung."
969 ist eine Bewegung radikaler Buddhisten - Mönche wie Laien. Anführer der Gruppierung ist ein Mann, der sich Wirathu nennt und in manchen Medienberichten als Mönch, in anderen als "falscher Mönch" bezeichnet wird. Bereits zu Zeiten der Militärdiktatur war er als fanatischer Muslimgegner bekannt. Die Botschaft von 969 ist simpel; die Gruppierung wittert einen Komplott der Muslime zur Islamisierung Birmas. Die Hetze scheint auf fruchtbaren Boden zu fallen. Die Gewalt, die vergangenen Mittwoch durch einen Streit zwischen einem buddhistischen Goldhändler und einem muslimischen Kunden in Meiktila ausgelöst wurde, breitet sich aus. Die Unruhen hätten bereits Nachbarstädte der Hauptstadt Naypidaw erreicht, sagt Myint Thein. Viel Zeit zum Reden hat er nicht, immer wieder läutet das Telefon, erhält er neue, beunruhigende Informationen.
Maung Zarni, Forschungsbeauftragter an der London School of Economics, hatte bereits in der Vergangenheit vor der 969-Bewegung in Birma gewarnt und sie als "Neo-Nazi-Organisation" bezeichnet. Wurde er dafür anfangs noch belächelt, nimmt man ihn nun ernst. Hoffnung setzt Zarni im Kampf gegen 969 auf die "guten birmanischen Mönche" der Safranrevolution von 2007. Diese müssten die Öffentlichkeit warnen und dafür sorgen, dass die Situation nicht eskaliere und das Militär eingreifen müsse. Unterdessen übt der Direktor des "Al-Azhar Islamic Institut" Myint Thein Kritik an Präsident Thein Sein. Dieser habe zwar den Ausnahmezustand über Meiktila und einige andere Städte verhängt, sich ansonsten jedoch nicht zu der anti-islamischen Kampagne geäußert. "Er sollte ein Machtwort sprechen", fordert Myint Thein. Auch Friedensnobelpreisträgerin und Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi schweigt bislang. Mit Bangen sehen Myint Thein, Thant Zin Aye und die Bewohner von Ranguns Stadtteil Tamwe dem Abend und der Nacht entgegen. "Wenn es hier brennt, dann wird die ganze Stadt brennen", sagt Myint Thein.
Von Michael Lenz
(C) KNA
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