Immer noch demütig und gehorsam?
Es ist Zeit für eine Zwischenfrage. Ein Jahr nach dem Start der Internet-Doku „Um Gottes willen“ will kontinente von den vier Kandidaten für das Ordensleben wissen: Sind Demut und Gehorsam immer noch lebenswert? Benedito antwortet aus Brasilien:
Es sind jetzt drei Jahre, die ich hier in der Seminargemeinschaft lebe. Die Erfahrungen, die ich bisher gemacht habe, waren sehr angenehm und haben mich wachsen und reifen lassen, sowohl im Hinblick auf mein spirituelles Leben, als auch als Mensch und Person. Die Erfahrungen waren sehr unterschiedlich. Die ersten Momente in einer fremden Stadt, einer ganz anderen Kultur und mit ganz fremden Personen um mich herum, die mich fragend machten: „Was tue ich eigentlich hier?“ Mit der Zeit habe ich dann gelernt, dass Herausforderungen zum Leben und eben auch zum Leben in einer religiösen Gemeinschaft dazugehören. Ich habe gemerkt, dass ich selbst auch immer die Möglichkeit oder Fähigkeit habe, diese zu überwinden und Schwierigkeiten zu meistern. Heute versuche ich immer mehr dem zu entsprechen, was ich gewählt habe und was mir anvertraut wurde. Das bestärkt mich immer wieder in meiner Berufung.
Der Weg führt über diese Tugenden
Um auf das mir gestellte Thema zu kommen: Immer noch demütig und gehorsam? ... Die beiden Tugenden haben für mich nichts mit Unterwürfigkeit zu tun. Unter Demut verstehe ich zuerst Realitätssinn, sich selbst richtig einschätzen und eigene Grenzen erkennen und respektieren. Gehorsam bedeutet hinhören, was der andere sagen will und so weit es geht Dialog aufnehmen. Und es geht darum, die Erfahrung und die Verantwortung des anderen zu respektieren. Letztlich sind wir es dann selbst, die gelebte Demut und Gehorsam interessant machen. Das hängt von unserer Haltung und dem tagtäglichen Verhalten und vielen kleinen Gesten ab. So verstandene Demut und Gehorsam braucht es überall, wo Menschen zusammenleben. Wenn wir hier „Drinnen“, in einem sehr geschützten Umfeld nicht Demut und Gehorsam leben können, dann werden wir das Draußen mit Sicherheit nicht schaffen. Der Weg zu erfolgreichem Person- und Menschsein führt nur über diese beiden Tugenden.
Keiner ist zum religiösen Leben gezwungen
Wenn Leben in Gemeinschaft oder im Kloster unterdrückend wird, dann liegt das am Verständnis und Verhalten der einzelnen Beteiligten. Für mich kann es solche Formen von Unterdrückung aber eigentlich nicht geben, denn keiner von uns ist ja zum religiösen Leben gezwungen worden. Wir sind hier, weil wir uns selbst dazu entschieden haben. Diese Entscheidungsfreiheit lässt normalerweise keine Unterdrückung zu, falls sich nicht jemand selbst im Gemeinschaftsleben unterdrücken lassen will.
Für mich gibt es dort, wo es um Karriere und Geld geht, keine echte Gemeinschaft, sondern nur Konkurrenz. In einer religiösen Gemeinschaft geht es um das, was Jesus Christus uns gelehrt und gezeigt hat. Man kann nicht von Vergebung, von Liebe und von Hinhören auf den anderen sprechen, wenn es nur darum geht seine eigene Karriere und sein eigenes Wohlergehen aufzubauen. So ein Mensch hat keinen Platz in einer Gemeinschaft.
Mit dem, was ich geschrieben habe und was meinen bisherigen Erfahrungen im Gemeinschaftsleben entspricht, kann und will ich bekräftigen, dass es sich lohnt die Tugenden von Demut und Gehorsam anzustreben. Und für mich sind die beiden nicht nur Teil von religiösem Leben, sondern wichtig für jede Lebensform. Nur mit den beiden werden wir zu Personen mit Charakter und Gradlinigkeit. Das ist die Grundlage für ein gutes Leben in Familie oder einer Gemeinschaft oder wo wir uns sonst einfügen.
Benedito dos Santos Conceição