Mühsam: G.M.B. Akash watet durch fauliges Wasser zurück zu seinem Übernachtungsplatz. Stundenlang hat er zuvor in einem Überschwemmungsgebiet Menschen in ihrem Kampf gegen die Fluten fotografiert. |
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Akash und die Kraft der Bilder
Porträt des vielfach ausgezeichneten Fotografen
Sein Beruf ist für G.M.B. Akash Berufung. Der 35-Jährige aus Bangladesch fotografiert Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen. Vielen von ihnen hat er einen Neuanfang ermöglicht. Er ist überzeugt: Bilder können das soziale Bewusstsein verändern.
Für seine Bilder macht der Fotograf, der sich schlicht Akash nennt, fast alles: Er fährt auf dem Dach dahinrauschender Vorstadtzüge, watet durch fauliges Wasser und kriecht in dunkle Steinbrüche. Er scheut keine Herausforderung, um den von der Gesellschaft Ausgegrenzten nahe zu kommen, den Menschen, die ums Überleben kämpfen. Er fotografiert sie in menschenunwürdigen Lebenssituationen, ohne die Menschen dabei zu entwürdigen. „Mit jedem Bild will ich die Unbesiegbarkeit der Seele zeigen“, sagt der 35-Jährige. „Auch in der Not bleibt die Seele schön.“ Akash zeigt die Menschen nicht als Opfer, sondern als Helden des täglichen Überlebens. Es sind Fotos, die Geo, Spiegel, Times oder Newsweek gerne abdrucken, auch kontinente seit 2007 immer wieder. Fotos, die ihm viel Ehre, aber auch Ärger eingebracht haben. Mehr als 70 internationale Preise hat Akash bekommen, 2006 sogar einen World Press Photo Award. Wegen seiner Arbeit „Randwelten“ wurde er in seiner Heimat jedoch zum Verfolgten. Insbesondere das Foto eines siebenjährigen Koranschülers in Ketten gefiel islamistischen Muslimen nicht. Sie bedrohten ihn und seine Familie, so dass er im Jahr 2007 vorübergehend Schutz in Deutschland suchte, unterstützt von der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte. Doch auch hier ließ ihn seine Leidenschaft für die Fotografie und das Schicksal von Menschen nicht los. Er machte einfühlsame Fotos vom Alltag Obdachloser in Hamburg und von allein gelassenen Menschen in Altersheimen.
Bilder verändern die Wahrnehmung
Ein Schlüsselerlebnis vor 15 Jahren sei für seinen Wunsch, Fotograf zu werden, entscheidend gewesen, sagt Akash. Er besuchte eine Ausstellung über Aidskranke, die ihn erschütterte. „Ich war schockiert, wie diese Menschen in unserer Gesellschaft aufgrund von Missverständnissen verachtet und ausgegrenzt werden. Meine Vorstellung von Aidskranken änderte sich völlig. Zum ersten Mal erlebte ich, wie Bilder die soziale Wahrnehmung beeinflussen können und wie ein Fotograf mit seiner Arbeit dazu beitragen kann“, erzählt er. Der junge Mann schnappte sich eine alte Kamera seines Vaters und machte sich auf den Weg. Nicht, ohne sich vorher anhand der Kamera-Gebrauchsanleitung Englisch und die notwendigen technischen Handgriffe selbst beigebracht zu haben. In über 22 Ländern hat er sich mittlerweile an die Fersen der Armen und Ausgegrenzten geheftet. Behutsam nähert er sich ihnen, teilt über Tage oder Wochen ihren Alltag, gewinnt ihr Vertrauen. „Dann, wenn alles passt, wenn der eine Moment gekommen ist, nehme ich meine Kamera, brauche nicht einmal mehr um Erlaubnis zu fragen und fange an, Fotos zu schießen. Die Menschen leben dabei ihren Alltag weiter, so, wie sie es immer tun.“
Die Nähe, die Akash zu seinen Protagonisten aufbaut, ist den Fotos anzusehen. Eine Nähe, die nicht endet, wenn das Foto im Kasten ist. Denn Akash möchte mit seiner Arbeit nicht nur aufrütteln, sondern Veränderungen bewirken. Dennoch bleibt er realistisch: So glaubt er kaum, dass ein Phänomen wie Kinderarbeit in Bangladesch kurzfristig verschwinden wird. Doch es sei möglich, die Arbeitsbedingungen der Kinder zu verbessern. Schwarz-Weiß-Malerei ist nicht sein Ding. Der Fotograf hat den Anspruch, die komplexe Realität darzustellen: Viele Kinder in Bangladesch müssen arbeiten, um ihre Familie mit zu ernähren. Fabriken stellen Kinderarbeiter ein, da sie von Textilfirmen gezwungen werden, immer günstiger zu produzieren. Verbraucher in Europa und den USA kaufen vor allem billige Kleidung.
„Ich glaube daran, dass jeder kleine Beitrag, den ein Mensch für einen anderen leisten kann, die Welt ein wenig heller macht“, sagt er. Lange genug, so der Fotojournalist, habe nur er selbst von seinen Fotos profitiert. Immer stärker wurde der Wunsch, den „Helden“ seiner Fotos etwas zurückzugeben. Denn: „Die einzige Sünde für einen Fotografen ist es, den Kopf abzuwenden.“ Das Projekt „Survivors“ (Überlebende) entstand. In einem Buch mit dem gleichnamigen Titel zeigt Akash Porträts aus zehn Jahren Arbeit. Ein Viertel der Erlöse investiert er in die Zukunft der „Survivors“.
„Ich bin einer von ihnen“
Bis heute versucht Akash, oft nach langer Zeit und mit großem Rechercheaufwand, die Menschen wiederzufinden, die er abgelichtet hat. Er erkundigt sich nach ihren Lebens- umständen, lotet aus, was ihnen eine bessere Existenz ermöglichen könnte. Er drückt ihnen nicht einfach Geldscheine in die Hand, sondern überlegt in ausführlichen Gesprächen gemeinsam mit ihnen eine Strategie. Munna etwa, der Junge, der jahrelang in einer Metallwerkstatt in Dhaka schuftete, kann mittlerweile zur Schule gehen. Akashs Existenzgründer-Beratung half Munnas Vater beim Aufbau eines Gurkenhandels, mit dem dieser nun die Familie ernähren und die Kinder zur Schule schicken kann. Akashs Freundeskreis unterstützt ihn bei der Suche, Beratung und Betreuung der „Survivors“. Viel Zeit, Geld und Herzblut gibt der junge Fotojournalist für diese Menschen, die ihm eine Familie geworden sind. „Ich teile ihr Leben und bin einer von ihnen.“ Unaufgeregt und mit sanfter Stimme spricht der Moslem Akash von seinem Einsatz und betont: „Ich bin Fotograf, kein Hilfswerk. In erster Linie bin ich Mensch, ich folge meinem Herz und meiner Seele.“ Ein Mensch, der für seine Arbeit und seine Überzeugungen brennt. Und der weiß: Jeder auf der Welt kann die Botschaft von Bildern verstehen.
Eva-Maria Werner
Das Buch „Survivors“ kann für 45 Euro bei Akash bestellt werden (akashphoto@gmail.com).
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