Adventskalender: Freitag, 12. Dezember 2014
Leseempfehlung aus der Redaktion:
Im Schatten des Banyanbaums
Die siebenjährige Raami ist die Protagonistin und sprachgewaltige Erzählerin des autobiografischen Romans. Behütet und geliebt wächst sie auf in einer kam-bod-schanischen Adelsfamilie. Humorvoll und scharfsinnig beschreibt sie das Leben ihrer kleinen privilegierten Welt, in der es noch eine Großmutter, Königin, ihre Milchmutter, Tanten, Diener und Dienstmädchen gibt. Ihren Vater liebt sie über alles, vor allem seine Erzählungen und Gedichte. Er ist königlicher Nachfahre, und wie viele Intellektuelle seiner Zeit enttäuscht über Korruption und Ungleichheit in der kambodschanischen Gesellschaft. Als am Neujahrstag 1975 die Roten Khmer Phnom Penh stürmen, ahnt die alte Königin-Mutter: „Es werden bloß so viele von uns übrig bleiben, wie im Schatten eines Banyanbaums Platz finden.“ Für Raami endet die unbeschwerte Kindheit, als die Familie noch am gleichen Tag aus der Hauptstadt vertrieben wird und eine lange Leidenszeit beginnt, die von Verlusten, Hunger, Gewalt und Zwangsarbeit geprägt ist. Die tiefe Liebe zu ihrem verschwundenen Vater gibt Rami die Kraft zu überleben.
Vaddey Ratner schrieb diesen Roman voller Poesie und Hoffnung, um ihrem Vater und all jenen, die zum Schweigen gebracht wurden, eine Stimme zu geben. Ich wünsche ihrem Buch viele Leserinnen und Leser.
Von Elisabeth Drost
Vaddey Ratner: Im Schatten des Banyanbaums, Unionsverlag 2014, geb., 384 S., € 21,95.