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Pater Frido Pflüger SJ, Deutschland-Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes

Pa­ter Fri­do Pflü­ger lei­tet den Je­sui­ten-Flücht­lings­di­enst (JRS) in Deut­sch­land. Er ver­tritt das Erz­bis­tum Ber­lin in der Här­te­fall­kom­mis­si­on des Ber­li­ner In­nen­se­na­tors. Fo­to: JRS

Got­tes­be­geg­nung im Flücht­lings­la­ger

In­ter­view mit Pa­ter Fri­do Pflü­ger

Vom JRS-Re­gio­nal­di­rek­tor in Ost­afri­ka zum Deut­sch­land-Di­rek­tor des Je­sui­ten-Flücht­lings­di­nes­tes: Wo gibt es Paral­le­len in der Ar­beit, wo Un­ter­schie­de?
Pa­ter Fri­do Pflü­ger:
Es geht bei mei­ner Ar­beit in Deut­sch­land wie­der um Men­schen, die nicht in ih­rer Hei­mat le­ben kön­nen, aus un­ter­schied­li­chen Grün­den. Die Zah­len der Flücht­lin­ge, mit de­nen wir es zu tun ha­ben, sind ganz an­de­re. Ich war zu­stän­dig für das öst­li­che Afri­ka. In die­sem Ge­biet gibt es al­lein et­wa zehn Mil­lio­nen Flücht­lin­ge und Ver­trie­be­ne. 2011 hat­ten wir in Deut­sch­land et­wa 40.000 Asy­l­an­trä­ge. Die Zah­len sp­re­chen für sich.

Warum neh­men afri­ka­ni­sche Län­der so vie­le Flücht­lin­ge auf, wir da­ge­gen eher we­ni­ge?
Die­se Län­der schot­ten sich nicht ab. Im Um­gang mit Flücht­lin­gen herrscht dort ei­ne an­de­re Men­ta­li­tät. Vie­le, auf bei­den Sei­ten der Gren­ze, ha­ben schon Fluch­ter­fah­run­gen ge­macht. Sie weh­ren Hilfs­be­dürf­ti­ge nicht ab, weil sie nicht wis­sen, wann sie das nächs­te Mal vor de­ren Tür ste­hen. Flücht­lin­ge wer­den auch nicht so als Frem­de be­grif­fen, oft­mals ge­hö­ren sie zur sel­ben Eth­nie.

Ist un­ser Pro­b­lem die Angst vor dem Frem­den?
Ja, ich den­ke schon. Bei uns ist ei­ne gro­ße Scheu da, frem­de Kul­tu­ren an- und auf­zu­neh­men. Ob­wohl sie ei­ne Be­rei­che­rung sein kön­nen. Denn Leu­te aus an­de­ren Ge­bie­ten der Welt den­ken an­ders über die Wir­k­lich­keit. Un­se­re Art über über Fa­mi­lie zu den­ken, über Le­ben und das, was wich­tig ist, ist ja nicht die ein­zi­ge Art und Wei­se. Wir den­ken im­mer car­te­sia­nisch: Ich den­ke, al­so bin ich. In Afri­ka wür­de man eher sa­gen: Wir sind zu­sam­men, al­so bin ich. Ge­mein­schaft und Fa­mi­lie ha­ben ei­nen gro­ßen Stel­len­wert. Ein­sam­keit ist dort ein Fremd­wort. Wir kön­nen ei­ne Men­ge von­ein­an­der ler­nen und ei­ne Of­fen­heit für die Wei­te men­sch­li­cher Exis­tenz be­kom­men.

Wie wol­len Sie Deut­sch­land für Flücht­lin­ge freund­li­cher ma­chen?
Das muss auf meh­re­ren Ebe­nen lau­fen. Zu­nächst fra­ge ich mich, wie ich selbst mit Men­schen um­ge­he: Bin ich freund­lich? Ge­he ich auf ih­re Be­dürf­nis­se ein? Die­sel­be Fra­ge stellt sich auf der Ebe­ne des Je­sui­ten­flücht­lings­di­ens­tes und im Netz­werk mit an­de­ren Nicht­re­gie­rung­s­or­ga­ni­sa­tio­nen und staat­li­chen Stel­len. Un­se­re Hal­tung hat schon zu Er­fol­gen ge­führt: So ha­ben die staat­li­chen Be­hör­den ein­ge­wil­ligt, ei­ne Stel­le ein­zu­rich­ten für die neu­tra­le Be­o­b­ach­tung bei den Ab­schie­bun­gen am Flug­ha­fen. Schon da­durch kann ein Ver­fah­ren hu­ma­ner ablau­fen. In die Ge­sell­schaft hin­ein wir­ken wir durch Ver­öf­f­ent­li­chun­gen und Vor­trä­ge.

Die EU will Ver­bes­se­run­gen vor­le­gen in der Asyl­ge­setz­ge­bung. Wo ist Hand­lungs­be­darf?
Bei der Ver­tei­lung von Asyl­su­chen­den. Nach den jet­zi­gen Re­ge­lun­gen – das Ein­tritts­land küm­mert sich – ist es nicht gut ge­löst. Es gibt Flücht­lings­ver­schie­bun­gen in Eu­ro­pa, hin und her und man merkt, dass man in man­che Län­der nicht mehr zu­rück­schie­ben kann, weil die Zu­stän­de ein­fach zu sch­lecht sind, wie jetzt in Grie­chen­land. Da­zu kommt, dass Län­der wie Ita­li­en oder Mal­ta viel stär­ker kon­fron­tiert sind mit der Pro­b­le­ma­tik als die Bin­nen­län­der. Nach­ge­dacht wer­den soll­te auch über Al­ter­na­ti­ven zur Ab­schie­bungs­haft. Da gibt es mitt­ler­wei­le in vie­len Län­dern neue Mo­del­le.

Man­che Men­schen kom­men, weil sie po­li­tisch ver­folgt sind, an­de­re als „Wirt­schafts­flücht­ling“. Not ist auf bei­den Sei­ten. Wie ge­hen Sie da­mit um?
Ich fin­de die Un­ter­schei­dung zwi­schen po­li­ti­schen und Wirt­schafts­flücht­lin­gen schwie­rig. Bei­spiel So­ma­lia: Es gibt da Bür­ger­krieg und Ver­fol­gung. Aber es gibt auch ex­t­re­me Hun­gers­not. Leu­te zie­hen wo­an­ders hin, weil sie über­le­ben müs­sen. Es ist ei­ne Ge­walt, die ei­nem durch die Na­tur an­ge­tan wird. Durch die Kli­ma­ve­r­än­de­rung wer­den sol­che Fäl­le von Na­tur­ge­wal­ten, die Men­schen zur Flucht zwin­gen, wahr­schein­lich noch zu­neh­men. Wo will ich die Gren­ze zie­hen und sa­gen: Der flieht ja nur aus öko­no­mi­schen Grün­den, weil er zu Hau­se nichts mehr zu es­sen hat? Was ist ein Wirt­schafts­flücht­ling? Ei­ner, der ei­gent­lich schon ein gu­tes Le­ben hat und nur ein bes­se­res Le­ben sucht? Oder je­mand, der sei­ne Hei­mat ver­lässt, weil er dort nichts mehr zum Es­sen fin­det?

Ha­ben wir auch ei­ne Ver­ant­wor­tung?
Ja, denn es gibt die vom Men­schen ge­mach­ten Flucht­grün­de. Ver­t­rei­bung der lo­ka­len Be­völ­ke­rung von ih­rem Grund und Bo­den bei­spiels­wei­se. Man will das Ge­biet wirt­schaft­lich nut­zen, zur Pro­duk­ti­on von Ex­port-Le­bens­mit­teln, die Men­schen vor Ort ge­hen leer aus.

Was müss­te glo­bal ge­sche­hen, um Fluch­tur­sa­chen zu be­kämp­fen?
Das ist die gro­ße Fra­ge, die im­mer schon im Raum steht. Wie schaf­fen wir über­haupt ei­ne ge­rech­te Welt­ge­sell­schaft? Ich fra­ge mich: Wol­len wir das über­haupt po­li­tisch? Denn vie­le Wirt­schafts­mäch­te ar­bei­ten ge­zielt mit nicht de­mo­k­ra­ti­schen Re­gie­run­gen zu­sam­men, weil die zu­gäng­li­cher sind für die Aus­beu­tung der Län­der. Am ef­fek­tivs­ten ist ge­ziel­te, lo­ka­le Hil­fe, so wie sie in der Re­gel von kirch­li­cher Sei­te prak­ti­ziert wird.

Ha­ben Sie manch­mal den Ein­druck, um­sonst zu ar­bei­ten?
Ich glau­be an die uni­ver­sel­le Lie­be, die man tra­di­tio­nel­ler­wei­se als Gott be­zeich­net, an ei­ne Lie­be, die nie­man­den aus-, son­dern al­le ein­schießt. Das ist der tiefs­te Grund mei­ner Ar­beit. Und ich bin über­zeugt, trotz al­ler ne­ga­ti­ven Er­fah­run­gen, dass man ein men­schen­wür­di­ges Mit­ein­an­der in der Welt ge­stal­ten kann. Die Flücht­lin­ge ha­ben mich da­vor be­wahrt, in Zy­nis­mus und Hoff­nungs­lo­sig­keit zu ver­fal­len.

Das ist er­staun­lich...
Ja, ich ha­be so viel an Le­bens­kraft und Zu­ver­sicht er­lebt, so star­ke Men­schen, dass es mich nie hat hoff­nungs­los wer­den las­sen.

Wo­her kommt die­se Kraft in den Men­schen?
Die kommt aus dem Glau­ben. Ich bin noch nie ei­nem un­re­li­giö­sen Flücht­ling be­geg­net. Und ich den­ke auch, dass das Ur­be­dürf­nis zu le­ben un­heim­lich viel Kraft gibt. Wir sind le­ben­de We­sen und wol­len ein­fach le­ben. Im Au­gust 2011 ha­be ich in ei­nem rie­si­gen Flücht­lings­la­ger in Südäthio­pi­en Men­schen er­lebt, die ge­ra­de dem Hun­ger in So­ma­lia ent­f­lo­hen wa­ren und im La­ger an­fin­gen zu fas­ten, we­gen des Ra­mad­ans. Mein ers­ter Im­puls war: Ach, so ein Krampf! Aber im zwei­ten Nach­den­ken war für mich klar: Das ist, wo­von sie le­ben. Das ist ihr Glau­be. Wenn ich ih­nen das Fas­ten aus­re­de, re­de ich ih­nen ei­nen we­sent­li­chen Kern ih­res Glau­bens aus. Und dann sind mir die vie­len Kin­der im Ein­gang ih­rer Zel­te auf­ge­fal­len, die mich an­lach­ten. Wir konn­ten uns nicht un­ter­hal­ten, aber ich ha­be die Kraft in die­sen Kin­dern ge­se­hen, ih­ren Über­le­bens­wil­len. Und auf ein­mal ha­be ich ei­nen Satz aus der Theo­lo­gie ver­stan­den, mit dem ich lan­ge nichts an­fan­gen konn­te: Wo ist der be­son­de­re Ort der Got­tes­be­geg­nung im Al­ten Te­s­ta­ment? Die Ant­wort lau­te­te: Die­ser Ort ist am Ein­gang des Zel­tes. Auf ein­mal sah ich den Satz in sei­nem Kon­text. Die Kin­der am Ein­gang ih­rer Zel­te. Das war sehr be­we­gend.

Dann hat die Ar­beit Sie näh­er zu Gott ge­führt?
Ja, das kann man so sa­gen, auf je­den Fall!

Das In­ter­view führ­te Eva-Ma­ria Wer­ner.

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