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Professor Paulo Suess, Sao Paulo. Foto: KNA

Pro­fes­sor Pau­lo Su­ess, Sao Pau­lo. Fo­to: KNA

„Im­port von pa­s­to­ra­len Süd­früch­t­en“

Kir­che will von Ba­sis­ge­mein­den in Ent­wick­lungs­län­dern ler­nen

18.01.2013 - Tü­bin­gen. Als vor gut 50 Jah­ren in Latei­na­me­ri­ka ka­tho­li­sche Ba­sis­ge­mein­den ent­stan­den, schrill­ten im Va­ti­kan die Alarm­g­lo­cken: Lag in der Grün­dung die­ser ei­gen­ver­ant­wort­lich Kir­che ge­stal­ten­den Ge­mein­schaf­ten der re­vo­lu­tio­nä­re Sp­reng­stoff, um die st­reng hier­ar­chisch kon­trol­lier­te Ein­heit der Kir­che au­s­ein­an­der­zu­rei­ßen? Und: Wie po­li­tisch darf das Chris­ten­tum sein, um sich den Ärms­ten der Ar­men zu­zu­wen­den und ei­ne ge­rech­te­re Ge­sell­schaft zu schaf­fen? In der Tü­bin­ger Uni­ver­si­tät dis­ku­tier­ten nun erst­mals in Deut­sch­land Theo­lo­gen und en­ga­gier­te Chris­ten aus vier Kon­ti­nen­ten über Ge­schich­te, For­men und Theo­lo­gie der Ba­sis­ge­mein­den.

Im Zen­trum der von der Theo­lo­gi­schen Fa­kul­tät und den ka­tho­li­schen Hilfs­wer­ken mis­sio und Ad­ve­niat or­ga­ni­sier­ten Ta­gung stand die Fra­ge, wie die Er­fah­run­gen der Ba­sis­ge­mein­den in den Län­dern des Sü­d­ens für Deut­sch­land frucht­bar wer­den kön­nen. Die al­ten ideo­lo­gi­schen Grä­b­en sind (fast) übe­rall über­wun­den. Fol­ge­rich­tig be­zeich­ne­te der hon­du­ra­ni­sche Kar­di­nal Os­car Ro­d­ri­gu­ez Ma­ra­dia­ga, ei­ner der wich­tigs­ten Kir­chen­füh­rer Latei­na­me­ri­kas, die Ent­wick­lung der Ba­sis­ge­mein­schaf­ten in sei­ner Hei­mat als Er­folgs­ge­schich­te. „Es ist ei­ne gro­ße Chan­ce, weil sich hier Frau­en und Män­ner en­ga­gie­ren, ih­rer Be­ru­fung fol­gen und da­mit Kir­che sind, statt bloß pas­si­ve Teil­neh­mer zu blei­ben.“

Ei­ne Bot­schaft, die in Deut­sch­land auf of­fe­ne Oh­ren trifft. Nach Ein­schät­zung des Osn­a­brü­cker Theo­lo­gen Die­ter Te­wes wächst das In­ter­es­se am Auf­bau neu­er Ge­mein­de­for­men. Un­ter dem Stich­wort „lo­ka­le Kir­chen­ent­wick­lung“ sei­en der­zeit Ge­mein­den und Pro­jek­te in den Bi­s­tü­mern Hil­des­heim, Osn­a­brück und Lim­burg die Vor­rei­ter. Das von Te­wes ge­grün­de­te „Na­tio­nal­team Klei­ne Christ­li­che Ge­mein­schaf­ten in Deut­sch­lan­d“ ver­netzt ak­tu­ell bun­des­weit rund 50 ent­sp­re­chen­de In­i­tia­ti­ven. „Wir dür­fen aber auf kei­nen Fall pa­s­to­ra­le Süd­früch­te als ver­meint­li­che Pa­tent­re­zep­te im­por­tie­ren wol­len“, so Te­wes. Not­wen­dig sei­en pass­ge­nau für die je­wei­li­ge La­ge vor Ort ge­stal­te­te In­i­tia­ti­ven. Die­se Ent­wick­lung brau­che Zeit, auch weil die Mo­del­le bis­lang nicht übe­rall von der Kir­chen­lei­tung un­ter­stützt wür­den. „Aber wir ha­ben im­mer mehr Bi­sc­hö­fe auf un­se­rer Sei­te.“ Dies dürf­te auch der Um­bruch­si­tua­ti­on in der deut­schen Kir­chen­land­schaft ge­schul­det sein. Übe­rall feh­len Pries­ter, wer­den Kir­chen­ge­mein­den zu Seel­sor­ge­ver­bun­den zu­sam­men­ge­legt. Es ent­ste­hen Ge­mein­den, die sich der Grö­ße der ka­tho­li­schen Ge­mein­den in den Län­dern des Sü­d­ens an­näh­ern. Et­wa wenn in Bra­si­li­en in ei­ner 60 mal 100 Ki­lo­me­ter gro­ßen Ge­mein­de auf 30.000 Ka­tho­li­ken zwei Pries­ter kom­men.

„Das Kon­zept der Ba­sis­ge­mein­de ist der ein­zi­ge Aus­weg, weil nur so die Chris­ten vor Ort ihr Glau­ben selbst­ver­ant­wort­lich ge­stal­ten kön­nen“, sagt Pau­lo Su­ess, ka­tho­li­scher Pries­ter und Mis­si­ons­wis­sen­schaft­ler, der seit den 1960er Jah­ren in Bra­si­li­en lebt. Und er macht ein­drück­lich deut­lich, dass aus sei­ner Sicht das so­li­da­ri­sche Han­deln für die Ar­men und der Kampf für ei­ne ge­rech­te­re Welt auch heu­te in­te­gra­ler Be­stand­teil des Chris­ten­tums blei­ben müs­sen. „Je­der Ka­tho­lik muss die exis­ten­zi­el­le Nähe zu den Ar­men su­chen, und zwar je­de Wo­che“, for­dert Su­ess. Sein Ideal ist ei­ne Kir­che, die „wir nicht ha­ben, son­dern die wir selbst sin­d“.

Ad­ve­niat-Ge­schäfts­füh­rer Bernd Klasch­ka be­zeich­ne­te die christ­li­chen Ba­sis­ge­mein­den in Ent­wick­lungs­län­dern als wich­ti­ge Vor­bil­der. „Wir brau­chen neue For­men, um den Men­schen von heu­te die Be­geg­nung mit dem le­ben­di­gen Chris­tus zu er­mög­li­chen“, so der Lei­ter des Latei­na­me­ri­ka-Hilfs­werks. Und auch Klaus Krä­m­er, Prä­si­dent von mis­sio, sprach von der Chan­ce, durch Ba­sis­ge­mein­den das „dro­hen­de Au­s­trock­nen des geist­li­chen Le­ben­s“ zu ver­hin­dern. Deut­sch­land kön­ne von den Län­dern des Sü­d­ens viel ler­nen. Wei­ter­ge­dacht steht am En­de der ge­ra­de an Fahrt ge­win­nen­den Be­we­gung ein neu­es Kir­chen­bild von ei­ner stark von der Ba­sis mit­ge­stal­te­ten und ver­ant­wor­te­ten Kir­che. 50 Jah­re nach den be­f­rei-ungs­theo­lo­gi­schen Auf­brüchen der latei­na­me­ri­ka­ni­schen Ba­sis­ge­mein­den könn­te dies auch zu neu­em Sp­reng­stoff für die ka­tho­li­sche Kir­che wer­den.

Von Vol­ker Ha­se­nau­er

(C) KNA


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