Mein Orden hat mich 2003 in den Norden von Benin geschickt. Da ist mir der erste Fall von Hexenwahn begegnet. Für mich war das schockierend, denn im Süden, woher ich stamme, gibt es das nicht. Ein Katechist kam zu uns – dem Pfarrer und mir – um uns von einem acht Monate alten Baby zu berichten, das Zähne im Oberkiefer bekam. Deshalb wollte sein Großvater es töten. Wir sind sofort in das Dorf gefahren und haben es gerettet. In der Kultur der Bariba und Puel ist die Zahl acht schlecht – wenn ein Kind im achten Monat geboren wird oder mit acht Monaten Zähne bekommt. Babys, deren Mutter bei der Entbindung stirbt, die nicht mit dem Kopf voran geboren werden oder zuerst im Oberkiefer Zähne bekommen, sind für sie eine Hexe, ein Dämon. Sie glauben, wenn man ein solches „Hexenkind“ behält, wächst auf den Feldern nichts mehr, läuft das Geschäft nicht. Es bringt Unglück.
Ein Neugeborenes kann keine Hexe sein
Mithilfe der Franziskaner haben wir 2012 eine Aufklärungskampagne gestartet. Mit einem Team von Ordensleuten und Laien gehe ich in die Dörfer, wo es noch Kindstötungen gibt. Unsere Botschaft ist: Ein Neugeborenes kann keine Hexe sein! Bisher sind wir immer gut aufgenommen worden. Es gibt Mütter und Väter, deren Kinder gerettet wurden und die den Mut haben zu reden. Wir haben das Tabu gebrochen. Die Alten sind immer noch sehr in der Tradition verankert. Aber die junge Generation wird den Hexenwahn überwinden.
Im Rahmen der Kampagne organisieren wir auch Treffen mit Frauen. Wir laden dazu eine Hebamme ein, die ihnen ihren Zustand erklärt, wenn sie schwanger sind. Viele gehen jetzt zu Vorsorgeuntersuchungen und entbinden auf Geburtsstationen. Zu Hause hilft dabei traditionell die Matrone, eine alte Frau, die genau aufpasst, in welcher Position das Baby zur Welt kommt. Wir haben ein Haus gebaut und nehmen die Kinder auf, die man beseitigen will. Wir müssen alles tun, um diese grausame Kultur zu beenden!